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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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sechsunddreißigsten Gerechten.«
    »Du wusstest, was vorging, aber du hast mir nicht geholfen, du hast nicht –«
    »Nein, William. Ich wollte, dass du mir hilfst. Ich wusste, du würdest keine Ruhe geben, bis du Beth gefunden hättest, und dabei würdest du uns zu ihr führen. Und ich hatte Recht.«
    Will hatte Mühe, stehen zu bleiben. Das Zimmer drehte sich um ihn. Alle Luft wich aus seiner Lunge. Er brachte kaum ein Wort hervor. »Das ist Wahnsinn.«
    »Du glaubst, es ist Wahnsinn, ja? Hast du denn die leiseste Ahnung, was hier vorgeht?«
    »Ich glaube, ihr ermordet die Gerechten der Erde.«
    »Nun, so würde ich es nicht ausdrücken, William. So ganz sicher nicht. Aber ich möchte, dass du deinen Blick weitest, damit du das ganze Bild erfassen kannst.« Er sprach in einem Tonfall, den Will noch nie gehört hatte, jedenfalls nicht bis vor einer Stunde. Es war der Ton eines strengen Lehrers, der Gehorsam erwartete. Die elektronische Verzerrung in der Kapelle des Kongressgebäudes hatte diesen Ton nicht überlagern können: Es war die Autorität des Apostels.
    »Weißt du, das Christentum versteht, was das Judentum nie verstehen konnte. Was die Juden hartnäckig nicht verstehen wollten. Sie sahen nicht, was sie vor Augen hatten! Sie glaubten, solange die sechsunddreißig Gerechten auf der Welt seien, sei alles gut. Die Vorstellung gab ihnen Trost. Sie begriffen ihre wahre Macht nicht.«
    »Und was ist ihre wahre Macht?«, fragte Rabbi Freilich.
    »Wenn diese sechsunddreißig Männer die Welt aufrecht halten, muss auch das Gegenteil wahr sein! Dass die Welt nicht mehr besteht, wenn die Sechsunddreißig nicht mehr da sind.« Monroe Sr. wandte sich wieder an seinen Sohn. »Siehst du, das interessierte die Juden nicht. Sie dachten, wenn die Welt zu Ende geht, dann war’s das. Es wäre das Ende: Tod, Zerstörung, das Ende der Geschichte. Aber das Christentum lehrt uns etwas anderes, nicht wahr, William? Etwas Glorreiches und Unendliches! Denn wir Christen sind gesegnet mit heiligem Wissen: Wir wissen, dass das Ende der Welt die letzte Abrechnung mit sich bringt. Und jetzt stellen wir fest, dass wir es ganz einfach herbeiführen können, wenn wir nur dem Leben von sechsunddreißig Menschen ein Ende machen.
    Und wenn wir das tun können, bevor die zehn Tage der Buße zu Ende sind, kommt wahrhaftig der Tag des Jüngsten Gerichts. So einfach und so wunderbar.«
    Will konnte nicht fassen, dass diese Worte aus dem Munde seines Vaters kamen. Sie passten nicht zu ihm – es sah aus, als sei er die Bauchrednerpuppe eines Fremden. Entsetzt begriff er, dass dies vielleicht der wahre William Monroe war. Vielleicht gab es den Mann, den er gekannt hatte, gar nicht. Will zwang sich zum Sprechen.
    »Und warum wollt ihr den Tag des Jüngsten Gerichts herbeiführen? Warum wollt ihr die letzte Abrechnung?«
    »Ich bitte dich, William. Stell dich nicht dumm. Jeder Sonntagsschüler der ganzen Christenheit kennt die Antwort auf diese Frage. Sie steht in der Offenbarung des Johannes. Das Ende der Welt bringt uns die Rückkehr Christi, des Erlösers.«
    »Ihr wollt Christus in die Welt bringen, indem ihr sechsunddreißig Unschuldige ermordet?« Will war bewusst, dass die Pistole auf ihn gerichtet war. »Und diese Männer waren nicht nur einfach unschuldig. Sie waren bemerkenswert gute Menschen. Das weiß ich.«
    »Schau mich nicht an, als wäre ich ein gemeiner Mörder, William. Du musst doch sehen, wie genial dieser Plan ist. Nur sechsunddreißig. Sechsunddreißig Männer müssen sterben. Lies die Heilige Schrift, mein Sohn. Es steht geschrieben, dass Millionen ihr Leben in der Schlacht von Armageddon verlieren müssen, in der letzten großen Feuersbrunst vor der Wiederkunft Christi. Meere von Blut, und Tote türmen sich auf Tote. ›Und alle Inseln entflohen, und keine Berge wurden gefundene
    Aber so kann das alles vermieden werden. Es eröffnet den Weg in ein neues Paradies, einen Weg, der nicht von Gebeinen übersät und von Tränen getränkt ist.« Wills Vater schloss die Augen. »Es ist ein gerechter, friedlicher Weg, den Himmel auf Erden herbeizuführen. Denk nach, William: Kein Leid mehr, kein Blutvergießen. Der Tag des Messias, herbeigeführt durch das Opfer von sechsunddreißig Seelen. Weniger, als in einer Minute auf unseren Straßen sterben, weniger, als unnötigerweise durch Brandkatastrophen und Zugunglücke ums Leben kommen. Und deren Tod ist umsonst. Aber diese hier – sie geben ihr Leben, damit die übrige Menschheit ewig

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