Die Gerechten
leben kann. Im Paradies. Ist es nicht genau das, was die Gerechten gewollt hätten?
Und es waren keine brutalen Morde, William. Jeder von ihnen wurde mit Liebe und Respekt vor seiner von Gott gesegneten Seele getötet. Sie bekamen ein Betäubungsmittel, damit sie keine Schmerzen litten. Natürlich mussten wir unsere Taten manchmal tarnen. Und manchmal bedeutete das ein gewaltsameres Ende, als uns lieb war.«
Will dachte an Howard Macrae, auf den sie wieder und wieder eingestochen hatten, damit sein Tod aussah wie ein Bandenmord.
»Aber wir haben versucht, allen ein möglichst hohes Maß an Würde zu lassen.«
Will dachte an die Decke, mit der sie Macraes Leiche zugedeckt hatten. Die Frau, die er vor tausend Jahren in Brownsville interviewt hatte – Rosa war sicher gewesen, dass dies nur einer getan haben konnte, nämlich der Mörder selbst, und sie hatte Recht gehabt.
Sein Vater sprach noch immer. Seine Stimme klang jetzt sanfter. »Stell es dir vor, William. Lass die Vorstellung zu. Eine Welt ohne Krieg. Eine Welt des Friedens und der Heiterkeit, nicht nur heute und nicht nur nächste Woche, sondern in Ewigkeit. Und sie könnte Wirklichkeit werden – nicht durch das Opfer von Millionen, sondern durch das von drei Dutzend Gerechten. Wenn du das bewirken könntest, William, würdest du es dann nicht tun? Würdest du es nicht tun müssen?«
Der Apostel beendete seine Predigt und ließ seine Worte im Raum stehen. Will schmerzte der Kopf. All diese Reden über das Ende der Zeiten, die Wiederkunft Christi, über Erlösung und Armageddon – es war zu ungeheuerlich. Es schien ihn zu verschlingen. Aus dem Nichts stieg ein neues Bild aus der Vergangenheit in ihm auf: Er war sechs Jahre alt und sprang über die Brandungswellen am Strand in den Hamptons, fest an der Hand seines Vaters. Jetzt war die Hand nicht mehr da.
Sein rationaler Verstand sagte ihm, dass sein Vater dem Wahnsinn verfallen sein musste. Wie lange das schon der Fall war, wusste Will nicht. Vielleicht hatte es schon angefangen, als er sich in Yale diesem Jim Johnson angeschlossen hatte. Aber es war Wahnsinn. Ein internationaler Massenmord, um das Ende der Welt heraufzubeschwören? Um Jesus zurückzubringen? Reiner Irrsinn.
Aber eine andere innere Stimme ließ ihm keine Ruhe. Es klang verrückt, ja, aber die Indizien waren kaum zu widerlegen. Die Chassiden von Crown Heights sehnten sich nach dem Messias, ebenso wie die Christen auf der ganzen Welt. Konnten sich Hunderte Millionen Menschen irren? Eine Welt ohne Gewalt und Krankheit, eine Welt des Friedens und des ewigen Lebens. Sein Vater war ein kluger und ernsthafter Mann, und Will kannte niemanden, dessen Verstand und Geistesschärfe beeindruckender war. Wenn er an die Wahrheit dieser Prophezeiung glaubte, wenn er glaubte, dass dies alles wirklich den Himmel auf Erden bringen würde – war es nicht nackte Arroganz, wenn Will darauf beharrte, es besser zu wissen?
Außerdem war es nun zu spät, um die Gerechten noch zu retten. Zumindest fünfunddreißig von ihnen waren tot. Dieser Schaden war nicht mehr gutzumachen. Und der Geheimcode in uralten Texten – mit dem man diese Gerechten gefunden hatte, indem man Ziffern in Zahlen und Zahlen in Koordinaten auf der Landkarte verwandelte – all das klang verrückt, aber es hatte sich bestätigt. Diese Männer waren in der Tat die Gerechten gewesen. Will hatte es selbst erkannt. Wie konnte er so sicher sein, dass er Recht hatte und nicht sein Vater?
Plötzlich deutete Laserauge auf seine Uhr und drängte Monroe Sr. zur Eile. »Ja, ja. Mein Freund hat Recht. Wir haben so wenig Zeit. Will, ich muss dir noch etwas sagen. Du musst wissen, wie ich darauf gekommen bin, dass Beth die Mutter eines Zaddik ist.«
Will zuckte zusammen. Das Wort klang seltsam und unnatürlich aus dem Mund seines Vaters.
»Ich habe erkannt, wie wunderschön es ist. Ich habe das Muster gesehen. Siehst du es nicht auch, Will? Nichts von all dem ist Zufall. Nichts. Nicht die Storys, die du für deine Zeitung geschrieben hast, nicht das hier.« Er deutete auf Beth. »Nicht du, nicht ich. Es ist alles kein Zufall. Der Rabbi kann uns mehr darüber sagen. Sie würden es beschert nennen, nicht wahr, Rabbi? Es sollte so sein. Es ist die Bestimmung.
Unsere Zeit geht zu Ende, William. Und es wird Zeit, dass du deiner Bestimmung ins Auge siehst. Du bist für die heiligste Rolle ausersehen. Siehst du, wie vollkommen es ist? Gott will, dass es endet, wie alles begann. Es begann mit Abraham und
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