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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bourne
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aufzuhalten. Aber vorher müssen Sie etwas für mich tun. Sie müssen mich zu meiner Frau bringen. Auf der Stelle.«
    Freilich zog die Stirn kraus. Er nahm die Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel. Ein Blick auf die Uhr: noch zwanzig Minuten. Will sah, dass der Rabbiner die Möglichkeiten gegeneinander abwog.
    »Also gut«, sagte er schließlich, aber er machte ein gequältes Gesicht. »Kommen Sie mit.«
    Zum Ausgang der schul kam man leichter als hinein; die Menge teilte sich ehrerbietig vor dem Rabbiner, auch wenn sein ramponierter Begleiter ein paar neugierige Blicke auf sich zog.
    Sie traten hinaus in die Abenddämmerung. Gebete erfüllten die Luft. Der Rabbiner ging schnell; er bog in die Kingston Avenue ein, und wieder sah Will auf die Uhr: noch vierzehn Minuten. Bei jedem Schritt taten ihm die Beine weh, aber er rannte fast.
    Vor einem kleinen Brownstone-Haus blieb der Rabbi stehen.
    »Sind wir da?«
    »Ja, wir sind da.«
    Will konnte es kaum glauben. Die Synagoge lag gleich um die Ecke; er musste ein paar Mal an diesem Haus vorbeigegangen sein. So nah war er bei Beth gewesen, ohne es zu ahnen.
    Er bekam Herzklopfen. So viel war geschehen, dass er das Gefühl hatte, eine Ewigkeit sei vergangen, seit er seine Frau das letzte Mal gesehen hatte. Die Sehnsucht, sie in den Armen zu halten, war so heftig, dass er sie kaum noch im Zaum halten konnte.
    Der Rabbi klopfte an die Tür. Eine Frauenstimme rief etwas in einer Sprache, die Will nicht verstand. Was der Rabbi erwiderte, hielt er für ein Passwort auf Jiddisch.
    Die Tür öffnete sich. Die Frau war Mitte dreißig, und sie trug ein Twinset, wie seine Mutter es vielleicht vor zwanzig Jahren getragen hatte. Ihr Haar war geschnitten wie bei allen Frauen in Crown Heights; es sah aus wie eine Perücke. Will seufzte; ihm wurde plötzlich klar, dass er damit gerechnet hatte, Beth zu sehen.
    »Dos is ihr man. Bring zie ahehr, biteh«, sagte der Rabbi.
    Die Frau verschwand nach oben. Türen wurden geöffnet, und dann hörte er Schritte.
    Er drehte sich um und sah einen langen dunklen Rock auf der Treppe. Wieder war er enttäuscht. Aber als die Frau näher kam, erkannte er die Hüften, die Körperhaltung. Und dann sah er ihr Gesicht.
    Die Tränen schossen ihm in die Augen, als er sie sah. Erst in diesem Moment spürte er, wie sehr er sie mit jeder Faser seines Körpers vermisst hatte. Er sprang die beiden untersten Stufen hinauf und umarmte sie gleich auf der Treppe. Die Tränen ließen alles verschwimmen, und er konnte ihr Gesicht nicht deutlich erkennen, aber als er sie in den Armen hielt, spürte er, wie sie zitterte, und er wusste, dass sie gleichfalls weinte. Keiner von ihnen brachte ein Wort heraus. Er drückte sie fest an sich, aber sie war immer noch nicht nah genug. Nichts durfte mehr zwischen ihnen sein.
    Endlich löste er sich von Beth, und erst jetzt konnte er sie wirklich sehen. Sie blickte zu ihm auf, und in ihren Augen lag eine Scheu, wie er sie noch nie bei ihr gesehen hatte. Es war keine Schamhaftigkeit, sondern etwas anderes – es war Ehrfurcht, Ehrfurcht vor der Unermesslichkeit ihrer Liebe zueinander.
    Endlich sagte sie unter Tränen: »Siehst du, ich hab es dir gesagt. Ich sagte, dass ich an dich glaube. So wie in dem Song, Will. Ich wusste, du würdest mich finden. Ich wusste es. Und jetzt bist du da.«
    Er barg ihren Kopf an seiner Schulter, und sie hielten sich fest umklammert und wüssten nichts von der Frau, wüssten nichts von Rabbi Freilich, der unten an der Treppe stand, wüssten nicht, dass auch diesen beiden die Tränen kamen, als sie sahen, wie das Paar sich endlich wieder in den Armen hielt.
    »Mr. Monroe, es tut mir Leid.« Der Rabbi räusperte sich. »Mr. Monroe?«
    »Ja«, sagte Will und wischte sich mit der Manschette seines Hemdes die Tränen von den Wangen. »Ja, natürlich.« Er wandte sich an Beth. »Haben sie dir erzählt, was –«
    »Sie weiß nichts«, unterbrach der Rabbi. »Und wir haben jetzt keine Zeit mehr. Bitte.«
    Will wusste nicht, wo er anfangen sollte. Eine winzige christliche Sekte, die glaubte, sie habe die Lehren und biblischen Verheißungen des Judentums geerbt, einschließlich der Geschichte der Lamedvav. Die die inbrünstige Messias-Erwartung von Crown Heights mitbekommen hatte, in die chassidischen Computernetzwerke eingedrungen war und schließlich die Identität der sechsunddreißig Gerechten entdeckt hatte. Die daraufhin ihre Handlanger auf der ganzen Welt ausgesandt hatte, um sie zu ermorden, einen

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