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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hatten ihre Freiheit verwirkt, nur ihr Verkauf auf dem Sklavenmarkt würde den Schaden wiedergutmachen.
    Der Statthalter hatte sein Urteil noch nicht zu Ende gesprochen, als sich ihm die verzweifelte Frau mit einem Schrei um Gnade zu Füßen warf und auch die drei Kinder nötigte, ihrem Beispiel zu folgen. Der in Ketten gelegte Wigbrand stand trotzig und finster dabei und schrie ihnen zu, sie sollten sich nicht mehr unnütz demütigen. Doch die vier Köpfe blieben gesenkt und die langen, rotblonden Haare der vier bedeckten den sandigen Boden.
    Da konnte sich Nelda nicht mehr zurückhalten. Mit kräftigen Ellbogenstößen drängte sie sich durch die Menge der Gaffer nach vorn.
    »Legat!«, rief sie. »Wie kannst du so ungerecht sein? Wie kannst du ein so grausames Urteil fällen? Was hat die Frau getan, außer zu arbeiten und ihre Kinder großzuziehen? Was für ein Verbrechen haben die Kinder begangen, dass du dir das Recht nimmst, ihr ganzes Leben zu zerstören? Was ist ihre Schuld? Wofür sollen sie büßen? Sind die Frau, die beiden Mädchen und der kleine Junge nicht völlig unschuldig? Hatten sie denn einen eigenen Willen? Was blieb ihnen anderes übrig, als dorthin zu gehen, wohin sie ihr Mann und Vater führte? Wie hätten sie sich gegen seine Befehle wehren können? Denke doch einmal nach und frage dich, ob sie…«
    Eine breite Hand verschloss Nelda den Mund und ihr Vater, der ihr nachgestürzt war, rief: »Verzeih, Legat, verzeih die dreiste Rede meiner Tochter! Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte, ein Dämon muss in sie gefahren sein. Nochmals bitte ich dich – verzeih diese Störung!«
    »Nein!«, schrie Nelda, indem sie das Handgelenk ihres Vaters packte und seinen Arm mit großer Kraftanstrengung herunter drückte. »Da ist nichts zu verzeihen und auch kein Dämon ist in mich gefahren! Es zerreißt mir das Herz, weil ich erleben muss, was hier Schreckliches geschehen soll! Du sitzt dort oben als Richter, Legat, und willst selber ein Unrecht begehen. Das darf nicht sein, das werden eure Götter nicht wollen. Auch die Unsrigen werden das nicht zulassen. Sie werden…«
    Abermals wollte Segestes eingreifen, doch Varus gab ihm von der Höhe seines Tribunals ein Zeichen, er möge das Weitere ihm überlassen. Zunächst hatte er überrascht und zornig Anweisung geben wollen, die Zwischenruferin fortzuschaffen. Doch schon auf den zweiten Blick, noch ehe ihr Vater einschritt, hatte er Nelda erkannt und es sich anders überlegt. Rufe des Unmuts aus der Menge taten ein Übriges. Er setzte eine belustigte Miene auf.
    »Schon gut, beruhige dich, mein Kind, und lass die Götter bei ihren eigenen Geschäften!«, rief er mit einer jovialen Geste. »Wie rührend – dieser mutige Einsatz zugunsten einer bedauernswerten, schuldig gewordenen Familie. Wer hätte je aus dem Mund einer zarten Jungfrau ein so ergreifendes, leidenschaftliches Plädoyer gehört. Sollte uns das nicht milde stimmen und – obwohl das Gesetz auf der Seite des Klägers ist – ausnahmsweise Gnade vor Recht ergehen lassen? Gern bin ich dazu bereit, damit meine lieben Cherusker sehen, dass ich ihr Freund bin. Der Kläger möge sich mit dem Erlös zufrieden geben, den der Verkauf des Mannes erbringen wird. Die mittellose Frau und die Kinder treffe dagegen nur die Strafe in einer Währung, in der sie, wie ich bemerke, unverzüglich und dabei ohne dauerhaften Schaden bezahlen können. Die nächsten Parteien sollen vortreten!«
    Die Währung, die der Statthalter meinte und in der nun die vier bezahlen mussten, waren ihre langen rotblonden Haare. Zu Perücken verarbeitet, würden sie bald die Köpfe der Modedamen in Rom oder Alexandria schmücken. Für das am meisten begehrte rot und golden schimmernde Haar konnte der Negotiator Höchstpreise erzielen. Der feiste Gallier murmelte zwar, das Urteil sei sein Ruin, das verfluchte Germanien mache ihn fertig und er werde sich nun aufhängen, doch vergaß er zuvor nicht, sich des ihm zugesprochenen kostbaren Gutes zu versichern. Die vier wurden von seinen Bütteln, ausgedienten Athleten, beiseitegeführt und auf der Stelle sorgsam geschoren. Dem Wigbrand gewährte man keinen Abschied von seiner Frau und den Kindern. Mit seinen Ketten klirrend schleppte er sich in sein Gefängnis zurück, um noch am selben Tag mit einem Sklaventreck fortgebracht zu werden.
    Nelda kümmerte sich nicht um die heftigen Vorwürfe ihres Vaters, die sanfte Zurechtweisung durch ihren Bräutigam und das pikierte Schweigen ihres

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