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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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der Spitzhacke das Eis eines Flüsschens auf und schleppte gemeinsam mit den Mägden das Wasser zum Wehrhof hinauf. Vorräte waren kaum vorhanden, doch die Männer gingen auf die Jagd und schafften Fleisch in Fülle heran. Sie hatten auch mehrere Wagen mit Beutegut aus den von den Römern verlassenen Festungsanlagen heraufgebracht. Das Getreide und der Wein würden bis weit ins Frühjahr reichen.
    Nelda freute sich auf das Frühjahr. Sie würde nun alles anwenden können, was sie bei ihrer Mutter gelernt hatte. Wenn sie an den langen Winterabenden beim verglimmenden Herdfeuer plauderten, unterhielt sie die Männer manchmal mit sprühender Beredsamkeit, indem sie ihnen auseinandersetzte, was sie alles verändern und welche Verbesserungen und Neuerungen sie einführen wollte. Arminius hörte ihr zu, lobte sie für ihre guten Ideen und scherzte manchmal, dass sie wohl einen Königspalast aus seinem einfachen Wehrhof machen wolle. Da gab es dann ringsum beifälliges Gelächter und einmal sagte einer: »Warum auch nicht? Wirst du nicht bald unser König sein?«
    Arminius erwiderte darauf nichts. Doch Nelda spürte, dass er zunehmend unruhig wurde und dass ihn die Enge des Hofes und die winterliche Abgeschiedenheit bedrückten. Immer häufiger saß er mit Inguiomer und Stammesführern aus der näheren Umgebung halbe Nächte lang um den Herd und Nelda, die auf ihrer Schlafbank keine Ruhe fand, hörte sie sich ereifern und Pläne für neue Bündnisse und neue Kriegszüge entwerfen. Kaum waren im März die Wege frei von Schnee und Eis, schickte Arminius seine Boten in weiter entfernte Gegenden, vor allem nach Westen und Süden, zu den Chatten, Marsern und Brukterern, die im Herbst unter seinem Befehl gekämpft hatten. Die Zurückkehrenden brachten beunruhigende Nachrichten. Bald deutete alles darauf hin, dass die Römer zu einem Gegenschlag rüsteten. Es hieß, Tiberius selbst, der inzwischen als sicherer Nachfolger des Caesar Augustus galt, sei am Rhenus eingetroffen und leite ihre Unternehmungen. Die Kastelle am jenseitigen Ufer des Rhenus würden befestigt, und Arbeitstrupps kämen täglich über den Fluss, um Rodungen durchzuführen und breite Aufmarschschneisen durch die Wälder zu schlagen. Arminius sandte weitere Boten aus mit dem dringenden Auftrag, in Erfahrung zu bringen, was dagegen unternommen wurde. Einige kamen nicht wieder, andere blieben lange fort und was sie berichteten, war bestürzend. Offensichtlich war keiner der in der Nähe des Rhenus siedelnden Stämme bereit oder im Stande, Maßnahmen gegen einen erneuten römischen Überfall zu treffen.
    Es war Anfang Juni, als Arminius die Stufen zu dem kleinen Grubenhaus herabkam, in dem Nelda einige Mädchen aus der Umgebung am Webstuhl unterwies. Er setzte sich auf einen Hocker, lächelte freundlich und sah eine Weile zu, doch dann wurde er ungeduldig und sagte, er müsse mit ihr reden. Sie schickte die Mädchen hinaus.
    »Es fällt mir schwer, es dir zu sagen«, begann er. »Du hast hier schon eine Menge geleistet, der Wehrhof ist kaum wiederzuerkennen. Ich glaube, du fühlst dich hier wohl, hast dich eingelebt. Die Leute mögen dich. Doch es muss sein, sonst ist es vielleicht zu spät. Wir müssen fort, Nelda! Morgen früh brechen wir auf.«
    Sie sah ihn ungläubig an.
    »Das kommt überraschend. Warum und wohin denn? Ich wollte morgen mit den Knechten den Brunnen reinigen und…«
    »Daraus wird nichts«, unterbrach er sie. »Ich erkläre es dir. Im Westen braut sich etwas zusammen. Gerade ist wieder ein Bote zurückgekommen; es scheint, dass die Römer bei Vetera Castra Truppen zusammenziehen. Die Stämme da oben sind entweder hilflos oder unwillig. Ich muss dorthin und dafür sorgen, dass sie den Übergang vereiteln oder wirksamen Widerstand leisten, falls er gelingt. Sonst war alles umsonst, was wir mit so viel Blut erreicht haben.«
    »Das verstehe ich, aber… warum zweifelst du an ihrer Tapferkeit? Sie haben sich doch im Herbst so glänzend geschlagen.«
    »Gewiss, doch unter ganz anderen Umständen. Die Römer werden nie wieder den Fehler machen, der sie die drei Legionen kostete. Sie werden sich nicht wieder im tiefsten Dickicht überraschen und zusammenhauen lassen. Von jetzt an werden sie nur noch auf ihre Art Krieg führen. Und ein Tiberius – nicht ein Varus hat das Kommando. Dem sind die Unseren da oben nicht gewachsen.«
    »Aber du bist doch nicht mehr ihr Heerführer«, wandte sie ein. »Werden sie dich denn als Befehlshaber annehmen?«
    »Das

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