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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Monate im Heerlager hatten ihr bereits einen Vorgeschmack auf dieses neue Leben verschafft. Sie hatte sich dabei nicht wohlgefühlt. Nur wenn sie mit ihrem Geliebten zusammen sein konnte, hatte sich das Gefühl des Verlorenseins und der Heimatlosigkeit vorübergehend verflüchtigt.
    Jetzt musste sie sich an das tägliche Abenteuer, die Gefahren des Weges und den ständigen Wechsel der Schauplätze gewöhnen und erst allmählich, ganz allmählich begann sie, einer solchen Lebensweise auch freundliche Seiten abzugewinnen. Allein unter dreißig Männern war sie nicht nur die Frau des Gefolgsherrn, sondern wurde trotz ihrer gerade neunzehn Jahre, ob sie es wollte oder nicht, zur Mutter der Gefolgschaft. Das war etwas anderes als im Heerlager, wo kaum jemand außer Arminius und ihrem Bruder ihre Anwesenheit wichtig genommen hatte. Für vieles war sie nun verantwortlich und ständig musste sie in Bereitschaft sein und dazulernen. Sie lenkte den Wagen mit dem Gepäck, sie kochte für alle, wusch und flickte Kleidungsstücke. Sie kümmerte sich um Kranke und Verletzte, von denen es immer einige gab, die nach Jagdunfällen, Zusammenstößen mit Wegelagerern oder auch nur aufgrund der gewöhnlichen Tücken und Hindernisse einer solchen Reise von ihr betreut werden mussten. Manchmal erkrankte einer plötzlich, stöhnte, keuchte, fieberte, wälzte sich, presste die Hände auf eine Stelle des Leibes und war nach wenigen Stunden tot, ohne dass eine Ursache feststellbar gewesen wäre. Bisher hatte sie sich kaum mit der Heilkunst befasst, die traditionell Sache der älteren Frauen war. Doch wenn sie jetzt unterwegs von einer Zauberin oder weisen Frau hörte, suchte sie sie auf und fragte sie aus, um zu lernen, welche Pflanzen heilkräftig waren, wie man Salben bereitete und welche Sprüche man aufsagen musste, damit Götter und Geister halfen.
    Zum Glück verirrten sie sich selten, denn Arminius war ein landeskundiger Reisender, der kaum jemals Zweifel über die Richtung hatte, wenn er bestimmte Plätze, waren sie auch noch so verborgen, aufsuchen wollte. Einige seiner Gefolgsleute, die in den beiden letzten Jahren bei ihm gewesen waren, hatten sich ebenfalls die besten und sichersten Wege gemerkt. Aus der Zeit nach seinem Ausscheiden aus der Armee, als sie kreuz und quer zwischen Visurgis und Rhenus durch die Stammesgebiete der Cherusker, Chatten, Marser, Brukterer und auch kleinerer Stämme gezogen waren, um Bündnisse für den Kampf zu schmieden, konnten sie sich gut erinnern, wo man sie freundlich empfangen hatte und wo sie unwillkommen gewesen waren. Auch jetzt noch verhielten sich manche Stämme und Sippen abweisend, doch fast überall löste die Ankunft des berühmten Römerbezwingers Begeisterung aus. Wenn sie in einen Weiler einzogen, liefen Männer, Frauen und Kinder aus den umliegenden Gehöften zusammen, Arminius umarmte die Kampfgefährten des glorreichen Herbstes und bald wurden Bratspieße gedreht, die Becher gefüllt und begeisterte Trinksprüche auf die zurückgewonnene Freiheit und ihre Helden ausgebracht. Kam dann die Rede auf die neuen Bedrohungen, ließ die Begeisterung freilich nach und die wenigsten sahen ein, dass sie schon wieder zum Krieg rüsten sollten. Jetzt war doch Frieden, die Römer waren fort. Die Männer wurden zu Hause gebraucht. Man musste die Felder bestellen, neue durch Rodungen gewinnen, das Vieh versorgen, auf die Jagd gehen, Vorräte anlegen. Vor dem nächsten Krieg drohte die nächste Hungersnot.
    Arminius wusste das alles und war darauf vorbereitet. Leidenschaftlich sprach er auf Thingplätzen und Dorfangern, an Lagerfeuern und unter Dächern aus Stroh und Schilf. Vor allem kam es ihm darauf an, seinen Zuhörern klarzumachen, dass nichts weniger sinnvoll wäre, als nun zu den Verhältnissen vor der Ankunft der Römer zurückzukehren. Könne man, fragte er sie, nicht auch die Hungersnöte, die Seuchen, die Rückständigkeit, die Armut besiegen? Was habe die Römer so stark gemacht? Wenn man sie auch vertrieben habe, weil sie allzu brutal die Herren herauskehrten, müsse man anerkennen, was ihre Überlegenheit ausmache: Handel und Wandel, eine staatliche Ordnung und alles regelnde Verwaltung, ein schlagkräftiges Heer, Bildung und Erziehung, das Leben in großen städtischen Gemeinschaften. Das Beste müsse man übernehmen, auch das Rechtswesen und die Besteuerung. Wenn man einig und stark sei, rief er ihnen zu, werde man das alles nicht mehr als Last empfinden, sondern Nutzen daraus ziehen.

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