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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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weiß ich nicht«, erwiderte er seufzend. »Doch ich weiß, was sie dringend brauchen: Rat und Anleitung. Im Herbst sind sie auseinander gelaufen und haben die Beute in Sicherheit gebracht. Gut, im Winter konnte nicht viel passieren. Aber ist denn die Freiheit gesichert? Kann sie nicht ebenso schnell verloren gehen, wie sie gewonnen wurde? Diesmal wird es nicht genügen, Lanzen zu schleudern und mit Schwertern und Keulen dreinzuschlagen. Sie brauchen jemanden, der alle Eigenarten der römischen Kriegsführung kennt. Der ihnen zeigt, wie man im freien Gelände Bewegungen ausführt und sich der Taktik des Feindes anpasst.«
    »Dazu wirst du doch aber viel Zeit brauchen.«
    »So viel Zeit, wie uns Tiberius noch lässt.«
    »Vielleicht kommt er gar nicht in diesem Jahr.«
    »Das wäre günstig. Zu hoffen wage ich es nicht.«
    »Aber ist es denn sinnvoll, dass du hier alles zurücklässt…«
    »Der Wehrhof wird nicht unbewacht sein. Ein Teil der Gefolgschaft bleibt hier. Und die Arbeiten an den Wällen und Zäunen müssen weitergehen.«
    »Ich könnte doch ebenfalls bleiben«, sagte Nelda vorsichtig und fügte rasch hinzu: »Versteh mich, Liebster, die Trennung würde mir schwerfallen… Aber ich habe hier so vieles angefangen und sehe schon so schöne Erfolge. Die Halle wird langsam wohnlich, in den Vorratshäusern und Ställen herrscht Ordnung, wir schlafen nicht mehr unter zerrissenen Decken, essen nicht mehr von zerbrochenem Geschirr… und ich habe noch so viel vor. Soll ich jetzt alles liegen lassen? Du würdest, wenn du zurückkehrst, staunen…«
    Er zog sie an sich und strich ihr über das Haar.
    »Ich verstehe dich gut. Und ich fühle mich gar nicht wohl dabei, dir eine Reise zuzumuten, auf der uns viele Gefahren erwarten. Doch die Gefahr, die dich hier erwartet, ist die größere.«
    »Was meinst du? Welche Gefahr? Wer sollte…?«
    »Dein Vater! Hast du vergessen, was er mir zurief, als sie ihn wegführten? Dass er sich sein Eigentum, seine Tochter, zurückholen werde?«
    »Das wird er nicht wagen!«, rief sie.
    »Ich kenne ihn wohl besser als du«, hielt er ihr entgegen. »Sein Hass sitzt tief, der Schmerz des verletzten Stolzes noch tiefer. Er würde es wagen, unbedingt, wenn wir ihm die Gelegenheit verschafften. Schnell würde er in Erfahrung bringen, dass ich fort bin und dass der Wehrhof noch immer schlecht gesichert ist. Er würde kommen und dich entführen – und nie wieder freigeben. Aber das darf nicht sein. Und deshalb…«
    Was sollte sie darauf erwidern? Sie wusste, dass er recht hatte. Vor kurzem hatte überraschend Vetter Segithank mit ein paar anderen jungen Männern am Tor gestanden. Man ließ ihn ein und er berichtete, Segestes und er hätten sich endgültig entzweit, weshalb er erneut um Aufnahme in die Gefolgschaft des Arminius bat. Dies konnte ihm nicht verwehrt werden, hatte er doch im Herbst den Mut gehabt, seinen Onkel zu verlassen, um von Anfang an gegen die Römer zu kämpfen. Darüber war es mit Segestes nach dessen Heimkehr zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Segithank hatte den Vorwurf der Treulosigkeit mit Spott beantwortet und – nach seinen Worten – Segestes einen ehrlosen Heuchler genannt, der reichlich spät seine Liebe zur Freiheit entdeckt und die Gnade, mit dem Leben davongekommen zu sein, nicht verdient hätte. So war der Bruch unvermeidlich gewesen. Auf Neldas Frage, warum er ohne Ramis und sein Kind gekommen sei, sagte Segithank, sein Onkel, ihr Vater, hätte die beiden eingesperrt und sich geweigert, sie mit ihm ziehen zu lassen. Angeblich weil er für den Verzicht auf die Munt noch nicht, wie vereinbart, entschädigt worden war.
    »Und als wir davonzogen«, schloss der rothaarige Vetter, »schrie er mir nach: ›Wenn du meine Tochter Thusnelda triffst, richte ihr aus: Meine Rechte lasse ich mir nicht nehmen, von niemandem! Davon wird sie sich bald überzeugen können!‹«
    So musste Nelda schweren Herzens auch ihr neues Zuhause wieder verlassen. Noch ahnte sie nicht, dass eine Zeit des rastlosen Umherziehens anbrach, dass drei Jahre eines harten, wilden, unsteten Lebens, nur von vorübergehenden Winteraufenthalten auf dem Wehrhof unterbrochen, vor ihr lagen. Bis vor kurzem noch war sie nur selten aus der kleinen Welt des väterlichen Anwesens und seiner Umgebung herausgekommen. Zweimal hatte Segestes sie an den Rhenus mitgenommen, doch es waren keine langen Aufenthalte gewesen und er hatte sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Die drei, vier

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