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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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einen Ausblick auf das Tal ermöglichte. Die Sonne schien, doch hier oben wehte ein kühler Wind. Nelda breitete eine Strohmatte aus, hüllte sich in eine Decke von Schafsfell und ließ sich nieder. Hier war sie die meiste Zeit allein, nur ab und zu kam einer der Gefolgsleute ihres Vaters herauf, warf einen Blick hinunter – beiläufig auch einen auf sie – und verschwand wieder. Manchmal versuchte einer der Männer, ein Gespräch anzuknüpfen, doch sie antwortete einsilbig und nur, wenn es einer war, der sich nicht an ihrer Entführung beteiligt hatte. Auf dem bewaldeten Hügel, wo sie die ersten achtzehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte, war sie nun eine Fremde und wollte auch nichts anderes sein.
    Den Platz hier oben hatte sie gewählt, um sich, wenn das Wetter es zuließ, so oft und so lange wie möglich zurückziehen zu können. Natürlich war ihr nicht erlaubt, ihre Höhle aufzusuchen, deren Eingang außerhalb des Wehrhofes lag. Ihr Vater war anfangs auch dagegen gewesen, dass sie hier heraufstieg, weil er befürchtete, sie könnte sich von der Plattform, die an einer Seite schroff abfiel, hinunterstürzen. Aber sie hatte ihm stolz erklärt, dass sie dies nur aus Verzweiflung über die schändliche Tat ihrer nächsten Verwandten tun würde. Auf keinen Fall jedoch würde sie das ungeborene Kind des geliebten Mannes, des größten Helden seines Volkes, mit in den Tod reißen. So hatte er seine Erlaubnis gegeben. Es mochte ihm sogar recht sein, dass er auf diese Weise nicht ständig den verächtlichen, vorwurfsvollen Blicken ausgesetzt war, mit denen Nelda ihn, ihren Bruder und alle ihre Entführer bedachte, sobald sie einem von ihnen begegnete.
    Dabei hatte er sie bei ihrer Ankunft wie eine Verlorene und glücklich Heimgekehrte behandelt. Die Entführer hatten ihr, sobald der Gau ihres Vaters erreicht war, die Fesseln abgenommen und zu ihrer Begrüßung waren alle Bewohner des Herrenhofes zusammengelaufen und in Jubelgeschrei ausgebrochen. Mit ausgebreiteten Armen war ihr Segestes entgegengetreten. Ein Festmahl hatte er zu ihrem Empfang gegeben. Neue prächtige Kleider und kostbarer Schmuck waren für sie bereitgehalten. Sie hatte das alles gleichmütig hingenommen und keinen Augenblick einen Zweifel daran gelassen, dass es ihr nichts bedeutete, dass ihr Aufenthalt ein erzwungener und dass sie unversöhnlich war, solange man sie gewaltsam festhielt.
    Anscheinend hatte Segestes gehofft, seine Autorität als Vater, der nach dem Stammesgesetz noch immer die Munt über sie beanspruchen konnte, würde Nelda nach ein paar Tagen trotzigen Widerstands schon in die Knie zwingen. Er täuschte sich. Alle seine Versuche, sie wie ein Mitglied der Sippe zu behandeln und in die Pflicht zu nehmen, als hätte es die Jahre ihrer Abwesenheit gar nicht gegeben, schlugen fehl. Sie weigerte sich entschieden, irgendeine Arbeit zu übernehmen, und erklärte, dass dies nicht ihr Haushalt und dass sie keine Magd sei, die in der Fremde dienen müsse. Dabei zerbrach sie schon mal aus Protest eine Schüssel oder schleuderte eine Spindel in die Ecke. Wann immer Segestes Befehlstöne anschlug, gab sie Widerworte und sparte dabei nicht mit heftigen Vorwürfen. Bald war ihm klar, dass weder mit Zwang noch der Berufung auf das Vaterrecht etwas bei ihr erreicht werden konnte und dass seine Erwartung, sie werde schon bald die Stellung ihrer Mutter im Hause einnehmen, vorerst unerfüllt bleiben würde. So hatte er keine andere Wahl, als sie – unter unauffälliger Beobachtung – sich selbst zu überlassen und seine Hoffnung auf große Ereignisse zu setzen, die alles verändern und schließlich auch den starren Sinn seiner Tochter brechen würden.
    Ihre Entführer strafte Nelda mit offener Verachtung. Segithank, Hauk und ihre Rotte waren für sie nicht mehr vorhanden. Ihr Bruder Segimund schlich um sie herum und brachte mehrmals errötend eine Erklärung für sein Verhalten vor. Dass der Vater im Recht sei, wenn er sie retten wolle, stotterte er, damit sie nicht in den allgemeinen Untergang hineingerissen werde, der den Anhängern des Arminius bevorstehe. Das hätte er ihr auch in seiner Kodex-Botschaft mitteilen können, doch wäre sie dann bereit gewesen, sich mit ihm zu treffen? So sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als zu einer List zu greifen. Später werde sie froh sein, dass alles so gekommen sei, und ihm vergeben.
    Einmal fragte ihn Nelda, was er denn für eine List gebrauchen wolle, um sich selbst zu retten. Ihm drohe als

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