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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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er seine großen Hände wieder sinken ließ. »Mein Sohn… Ich bitte um Nachsicht für ihn. Er war damals noch sehr jung, er wusste nicht, was er tat, es war eine Verirrung. Er hat es bitter bereut, und unter meinem Einfluss ist er längst zur Vernunft gekommen. Es drängte ihn, dir das selbst zu sagen, und so sandte ich ihn zu dir. Hoffentlich hat er die richtigen Worte gefunden und konnte dich überzeugen…«
    Germanicus hob die Hand zum Zeichen, dass der Fall geprüft werde und dass es jetzt keiner weiteren Worte dazu bedürfe. Segestes räusperte sich und sah sich um. Zwei Schritte hinter ihm, so wie er es ihr befohlen hatte, stand Nelda. Sie hatte den Kopf gesenkt und blickte an sich hinab, als nähme sie nicht wahr, was ringsumher vor sich ging. Die Hände hatte sie unter dem Bausch des Gewandes, über ihrem schwangeren Leib gefaltet.
    »Meine Tochter…« Segestes wandte sich wieder Germanicus zu, doch sein Redefluss stockte, er suchte nach Worten. »Meine Tochter, die du hier siehst… Ich muss gestehen, sie ist nicht freiwillig hier. Leider war ich genötigt, Gewalt anzuwenden, um sie… um sie hierher zu bringen. Meine Gesinnung teilt sie nicht, auch das muss ich sagen. Dennoch… ich bitte für sie… und an dir wird es sein zu erwägen… zu entscheiden… ich meine, was schwerer wiegt: dass sie von Arminius empfangen hat oder dass sie von mir gezeugt wurde.«
    Germanicus sah Nelda an und da sie noch immer reglos dastand und nicht aufblickte, trat er selbst auf sie zu. Der Feldherrnmantel hing faltenreich um seine schlanke Gestalt und der Helm mit dem gewaltigen Federbusch schien schwer auf seinem hübschen, schmalen Jungengesicht zu lasten.
    »Ich erinnere mich«, sagte er. »War es nicht… Horaz?«
    Sie blickte kurz auf und sah ihn wie damals freundlich und ein wenig hochmütig lächeln.
    »Ja«, sagte sie. »Es war Horaz.«
    Er nickte und wollte noch etwas hinzufügen. Doch dann besann er sich seiner Pflicht, erst einmal auf die Anrede des Gaufürsten zu erwidern.
    Er fasste sich kurz. Auch er wolle Römer und Germanen wieder in Freundschaft vereint sehen, sagte er. Deshalb verspreche er allen Sicherheit und Segestes einen seinem Rang und seinen Verdiensten gemäßen Wohnsitz auf der anderen Seite des Rhenus. Dieser Wehrhof allerdings, erklärte er dann, müsse aufgegeben und zerstört werden. Erforderlich sei dies, um zu verhindern, dass die Feinde Roms ihn besetzten und als Stützpunkt für weiteren sinnlosen Widerstand missbrauchten. Denn aus taktischen Gründen sei er leider genötigt, sich noch einmal zurückziehen.
    Segestes folgte der Rede mit einer Miene, die bei jedem Wort, das der junge römische Feldherr sprach, mehr versteinerte. Er hatte anderes erwartet. Hörte er richtig? Er sollte den Herrenhof seiner Väter, das Heim seiner Sippe, den stolzen Mittelpunkt seines Gaus verlassen – verlieren?
    Nelda merkte erst auf, als der Römer zum Schluss kam. Es gab ja nur einen Gedanken, der sie beschäftigte: Hatte er, ihr Geliebter, das unglückliche Gefecht im Tal überlebt? Und da hörte sie nun Germanicus sagen: »…aber der Kampf um die Provinz Germania wird weitergehen. Arminius, der uns heute noch einmal entkommen ist, wird auch in Zukunft keine Ruhe geben. Er wird nicht rasten und sein Sinnen und Trachten wird sein, das Römische Reich immer wieder herauszufordern!«
    Jetzt konnte sie lächeln und ihre Hände, die unter dem Bausch des Kleides auf ihrem Leib lagen, spürten von drinnen eine Bewegung, so als sei die freudige Nachricht auch dort angekommen.

 
27
     
    Sechs Jahre später, an einem heißen Tag im Monat Juli, tummelten sich zwei Knaben auf dem staubigen Hof einer villa rustica in der Nähe von Caere, der alten Etruskerstadt, zwanzig Meilen nördlich von Rom. Zuerst spielten sie Fangen um den Brunnen. Dann jagten sie die jungen Ziegen und Schafe. Schließlich gerieten sie in Streit, brachen Stöcke von einem Strauch und kreuzten sie wie Schwerter. Der Jüngere griff so heftig an, dass der Ältere ängstlich zurückwich. In einer Sprache, die aus lateinischen und germanischen Brocken zusammengesetzt war, beschimpften sie sich.
    »Sohn eines Sklaven!«, rief der Sechsjährige. »Ergib dich!«
    »Und wer bist du?«, heulte der Achtjährige, nachdem er einen schmerzhaften Streich auf den Arm empfangen hatte. »Hast du überhaupt noch einen Vater?«
    »Mein Vater ist König! Er ist König aller Germanen!«
    »Das hast du dir ausgedacht!«
    »Nein, es ist wahr! Ich weiß es von

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