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Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Die Geschichte der Anna Waser (German Edition)

Titel: Die Geschichte der Anna Waser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Waser
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den Händen glitt, und die andern, von dem Lärm herbeigerufen, fanden Anna mit ölübergossenen Händen und triefendem Kleide und mit dem erschreckten Ausruf: „Aber ums Himmels willen, Hans, trägst du nun eine Perücke?“
    Da gab es ein allgemeines Gelächter, und so war denn das einzige eingetroffen, daran sie nie gedacht, das Wiedersehen war zum Lachen und von kleinen äußerlichen Verlegenheiten gepeinigt.
    Auch das hatte sie nicht erwartet, daß man die erste Stunde unter munterm Geplauder am Familientisch verbringen würde und daß der Geliebte, aufgeräumt, ein wenig selbstzufrieden und mit viel amüsanten Worten von seinen Kampener Erlebnissen, Kämpfen und Siegen erzählen würde, derweil sie still lauschend und nur von seinen Blicken ausgezeichnet unter den Schwestern saß. Aber daß aus dem schlanken, ein wenig knabenhaften Jüngling ein kräftiger Mann geworden und daß statt des schlichten natürlichen Haars mit der lieben, widerspenstigen Strähne über der Stirn ein stattlicher Lockenschwall das kräftigere Gesicht umgab, das war doch das Allerunerwartetste und gab ihr eine schier schmerzliche Überraschung. Was half es, daß Mutter und Schwestern sie nachher beglückwünschten, da Schlatter so männlich und schön geworden? Den Stich einer leisen Enttäuschung ließ dieser erste Abend doch zurück.
    Aber am andern Tag, als sie zusammen in ihrer Malstube waren, allein, und sie seine heimliche Stimme wieder erkannte und seine zärtlichen Hände und man sich einen Augenblick wieder eins fühlte, ganz eins — ach, da war es so schön und so voller Glück, wie sie es sich schöner nie geträumt. Leider nur einen Augenblick; denn dann kam das Estherlein, und wenn es auch bei Schlatters Anblick betreten, erschreckt, nach einem kurzen trotzigen Gruß gleich wieder davonstob — nachher war es doch nimmer dasselbe. Des Mädchens unfreundliche Art hatte den Geliebten wohl verletzt, daß er einsilbig blieb und zerstreut und den alten innigen Ton nicht mehr fand, und dann mußte man zu den Eltern und hatte wichtige Dinge zu bereden.
    Auch ein nächstes Mal war wohl wieder das Estherlein schuld daran, daß ein Schatten in ihr Zusammensein fiel. Am frühen Morgen kam es herangestürmt und suchte Anna in ihrem Zimmer auf: „Du, meine Bücher möcht’ ich nun zurück und meine Arbeiten, dahier hab’ ich doch nichts mehr zu schaffen!“
    Anna suchte ihr den schlimmen Trotz auszureden und sie zu besänftigen; aber noch ehe sie zu Ende gekommen, vernahm man Schlatters Tritt auf den Stiegen. Da war das Mädchen auch schon davon, und Anna hörte, daß die beiden unten auf der Treppe zusammentrafen und wie das Estherlein nach einem kurzem seltsamen Gespräch, das ihr unverständlich blieb, weiterstürmte. Aber als Hans oben ankam, hatte er ein gerötetes Gesicht und schmale flimmernde Augen: „Sieh, was sie gekonnt hat, die kleine Hexe!“ rief er und hielt Anna mit ärgerlichem, zu lautem Lachen einen blutigen Finger entgegen. „Ich wollt’ sie auffangen, wie sie die Treppe herunterrannte, zum Scherz bloß, da hat sie mich gebissen, die Katze — die Katze!“
    Anna erschrak, mehr über des Liebsten verändertes erbostes Wesen als über die kleine Verletzung. Sie zog ihn herzlich neben sich auf die Truhe und versuchte unter liebevollen, fast mütterlich zärtlichen Worten den Finger wieder in Ordnung zu bringen. Aber plötzlich entriß er ihr die Hand. „Laß das,“ rief er mit unterdrückter Stimme, „ich mag das nicht, das weiche und bemutternde Tun; ich bin kein Bub nicht und du nicht meine Mutter, wohl aber mein Liebchen, du!“ Und plötzlich riß er sie an sich, zog sie auf seinen Schoß und warf die ganze Flut einer rücksichtslosen Zärtlichkeit über sie. Anna war wie betäubt. Als eine Wehrlose ließ sie den Sturm über sich ergehen, zuerst wie etwas Banges, schier Süßes, dann aber wie etwas Furchtbares, und als sie sich endlich loswinden konnte, war ihr wie einer Gepeinigten. Sie wich hinter den Maltisch zurück mit bebenden Gliedern. „Nie, nie mehr,“ klagte sie, während sie den Geliebten aus großen fremden Augen anstarrte. „Oh, das war schlimm, das war entsetzlich, als ob ein Fremder mich geküßt hätte, nicht du!“
    Auch Schlatter war aufgestanden. Er wandte sich dem Fenster zu und klopfte mit erregten Fingern gegen die Scheibchen. Sie sah, daß auch er zitterte. Da traten ihr die Tränen in die Augen: „Hans,“ bat sie leise, „tu’s nicht mehr, sei wieder wie früher; früher,

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