Die Geschichte der Deutschen
Geschäftsbereich im Kabinett. Gleichzeitig aber ist er preußischer Innenminister, befiehlt also über die Sicherheitskräfte im größten Land des Reiches. Reichswehrminister wird General Werner von Blomberg, ein Anhänger Hitlers. Die Kräfte sind damit so verteilt, dass der neue Kanzler sofort mit der Umstrukturierung der inneren Verhältnisse beginnen kann. Der Glaube, Hitler werde seine Machtansprüche bald zurückschrauben, erweist sich innerhalb weniger Wochen als Illusion. Weder Hugenberg noch der Kreis um Hindenburg können dem Kanzler Paroli bieten. Er spielt sie völlig an die Wand.
Die Diktatur, die er in den folgenden Jahren errichtet, wird schon in der Nazi-Zeit vielfach als das »Dritte Reich« bezeichnet. Dieser Begriff hat keinerlei staatsrechtliche Bedeutung. Die Propaganda der Nationalsozialisten will damit verdeutlichen, dass Hitler nach dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und dem Kaiserreich der Hohenzollern nun das Dritte Reich der Deutschen regiert. Auch der Begriff »Tausendjähriges Reich« bürgert sich rasch ein. Er soll ebenfalls eine Verbindung der Nazi-Herrschaft zur ruhmreichen deutschen Geschichte herstellen. Denn tausend Jahre währte auch das Reich von Karl dem Großen.
Adolf Hitler (1889–1945)
Hitler ist in Braunau am Inn, also als Österreicher geboren. Kleinbürgerlich sind die Verhältnisse, in denen er aufwächst. Die Beziehung zum Vater, der als Zollbeamter arbeitet, ist schwierig. Die Mutter liebt er. Als Schüler bleibt er ziemlich erfolglos. Nicht mangelnde Intelligenz, sondern Arbeitsunlust und Müßiggang veranlassen ihn 1905, die Realschule nach fünf Jahren zu verlassen. Nach dem Tod des Vaters lebt er mit der Mutter in Linz. Sie ist nachgiebig und lässt zu, dass der 16-Jährige ohne eigene Anstrengungen vom kleinen, aber auskömmlichen Familienvermögen lebt. Schon damals entwirft er in seiner Fantasie gigantische Baupläne und träumt von einer Künstlerkarriere. In nächtelangen Redeergüssen lässt er sich im Kreis seiner Freunde über die Kunst und die Welt aus. Von Wien ist er begeistert. Er überredet die Mutter, einem Studium an der dortigen Kunstakademie zuzustimmen. Doch gleich zwei Mal fällt er bei der Aufnahmeprüfung |223| durch. Als die Mutter 1907 stirbt, geht er endgültig nach Wien. Ein regelloses Leben beginnt, kontaktscheu und verschlossen bleibt er ein Einzelgänger, verdient gelegentlich ein paar Groschen als Postkartenmaler. Ein Abstieg, der schließlich in den Männerwohnheimen der Stadt endet.
Die Besuche in der Oper verstärken seine Schwärmereien für die Musikdramen Richard Wagners. In Wien herrscht ein starker Antisemitismus. Der »König von Wien«, Oberbürgermeister Karl Lueger, hetzt gegen die Juden, die in der Donaumetropole ihre größte europäische Gemeinde gebildet haben. Der junge Herumtreiber Hitler verehrt den erfolgreichen Populisten Lueger. Ob er schon damals zum Antisemiten wird, ist in der Forschung umstritten. Sicher ist, dass er in den Wiener Jahren die zahllosen Pamphlete, politischen und pangermanischen Schriften liest, die im Umfeld der österreichischen Alldeutschen erscheinen. In diesen abstrusen Abhandlungen dreht sich fast alles um die »Rasse« und das Deutschtum.
1913 zieht Hitler nach München, um dem Wehrdienst in Österreich zu entgehen. So erlebt er den 1. August 1914 an der Isar. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges gibt, wie er später behauptet, seinem Leben ein Ziel. Er kommt als Gefreiter an die Westfront, ist Meldegänger und wird mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach einem Gasangriff erblindet er vorübergehend, weshalb er das Ende des Krieges in einem Lazarett erlebt. Hitler ist ein Verfechter von Hindenburgs Dolchstoßlegende und meint auch zu wissen, wer den Soldaten in den Rücken gefallen ist: die Kommunisten und die Juden.
Die Laufbahn als Politiker beginnt in der Propagandaabteilung des Münchner Reichswehrkommandos. Man entdeckt das Rednertalent des Gefreiten. Im September 1919 besucht dieser ein Treffen der Deutschen Arbeiterpartei, die sich ab Februar 1920 Nationalsozialistische Arbeiterpartei nennt. Es ist eine kleine, antisemitische Gruppierung, die aber Hitlers Weltbild widerspiegelt. Er »trommelt« gegen die Novemberrevolution und den Versailler Vertrag und übernimmt 1921 den Parteivorsitz. Am 9. November 1923 wagt er in München einen Putschversuch. Er will nach Berlin marschieren und dort die Regierung verjagen. Vorbild für dieses angesichts der Kräfte, die
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