Die Geschichte der Deutschen
hinter ihm stehen, völlig irrationale Vorhaben ist der italienische Faschist und Diktator Benito Mussolini. Dieser hatte 1922 durch einen »Marsch nach Rom« die Macht in Italien erobert. Die Putschisten werden von der Polizei an der Münchner Feldherrnhalle gestoppt, es gibt Tote und Verletzte, Hitler flieht. Bald wird er verhaftet und von einem überaus milden Gericht in einem Hochverratsprozess zu einer fünfjährigen Festungshaft verurteilt. In der Haft diktiert er sein Buch Mein Kampf, in dem aufmerksame |224| Leser gleich auf den ersten Seiten alles finden, was Hitler später in seiner Politik zu verwirklichen sucht. Ende 1924 wird er vorzeitig entlassen. In den kommenden Jahren schafft er eine Macht- und Befehlsstruktur, die seine Rolle als »Führer« der Partei unanfechtbar macht. Mit den ersten großen Landtags- und Kommunalwahlerfolgen 1929 wird Hitler zu einer politischen Größe in der Weimarer Republik.
Als Kanzler bleibt der »Führer« seiner unsteten Lebensweise treu, zieht sich häufig auf seinen »Berghof« zurück, den er oberhalb von Berchtesgaden mit seiner Lebensgefährtin Eva Braun bewohnt. Die beiden führen ein scheinbar ganz normales Leben, das jedenfalls suggerieren die Filmaufnahmen, die Hitler anfertigen lässt: Eva Braun im Dirndl und er und der Schäferhund Blondi vor sonniger Bergkulisse. Hinter dieser selbst inszenierten Idylle verbirgt sich der menschenverachtende Diktator. Hitler ist kein regelmäßiger Arbeiter, schiebt viele Entscheidungen hinaus, bis er dann doch endlich eingreift, um seine Macht auszuspielen. Er geht erst in den Morgenstunden ins Bett und pflegt weiter seine jugendliche Gewohnheit, in stundenlangen Redeflüssen nicht nur über Politik und Geschichte, sondern auch über Architektur und Musik, Religion und Philosophie, Naturwissenschaften und Technik zu fabulieren. Der zu ihm befohlene Kreis von Bewunderern und Untergebenen muss ausharren, bis der »Führer« ausgeredet hat. Hitler ist Vegetarier und Hundefreund, Antialkoholiker und Nichtraucher. Seine schauspielerischen Talente sind beachtlich. Er nutzt sie nicht nur bei seinen Parteitagsreden und Ansprachen an das Volk, die er – je nach gewünschtem Effekt – durch martialische Gestik und Mimik oder pietätvoll staatsmännischen Gestus in Machtdemonstrationen verwandelt. Auch seine gefürchteten Wutanfälle setzt er ganz bewusst ein, um seine Umwelt einzuschüchtern. Charlie Chaplin hat in den vierziger Jahren Hitlers Talent eingehend studiert und in seinem Film Der große Diktator vollendet karikiert. Chaplins Tanz mit der Weltkugel ist unvergesslich. Er macht deutlich, mit welcher Selbstgewissheit und Selbstverliebtheit sich Hitler zum Weltherrscher stilisiert und die Menschheit dabei als Spielball betrachtet.
In den Jahren des Zweiten Weltkriegs lebt Hitler von Tabletten und Spritzen, am Ende ist er ein körperliches Wrack. Die Hände zittern, der Gang wird schlurfend, Totenblässe liegt auf dem Gesicht. Die Symptome der Parkinsonschen Krankheit treten immer stärker hervor. Als die sowjetischen Einheiten am 30. April 1945 wenige 100 Meter vom Führerbunker unter der Reichskanzlei entfernt sind, begeht Hitler Selbstmord. Mit ihm stirbt Eva Braun, die er wenige Stunden vorher geheiratet hat. Einer seiner letzten Befehle ist es, alle deutschen Industrieanlagen |225| in die Luft zu sprengen und für die alliierten Siegermächte nur noch verbrannte Erde zurückzulassen. Seine Begründung: Das deutsche Volk habe sich im Krieg als zu schwach erwiesen und sei daher zum Untergang verurteilt.
Von Anbeginn an lassen sich im politischen Denken Hitlers zwei Grundsätze erkennen, an denen er bis zum Schluss festhält: der Kampf gegen das Judentum und die Eroberung neuen »Lebensraums« für die Deutschen im Osten durch einen Krieg, der die slawischen Völker versklavt und vernichtet. Vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an ist er mit seiner Politik auf diese Ziele zugesteuert. Selbst als alles verloren ist, Deutschland in Trümmern liegt, die Truppen der Alliierten schon fast das ganze Land erobert haben, spricht er noch von diesen Plänen. Er hat sie auf eine kaum fassbare Art in die Tat umgesetzt. Bis zum Kriegsende sind zwischen 5 und 6 Millionen europäische Juden ermordet worden. In Polen und Russland gibt es fast nur noch zerstörte Städte und Dörfer und Millionen tote Soldaten und Zivilisten. Deutschlands Städte sind zur Trümmerwüste geworden. Hitlers zwölfjährige Herrschaft hat nahezu 50 Millionen
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