Die Geschichte der Deutschen
Staat der »Führer«. Als Hindenburg 1934 stirbt, folgt ihm Hitler als Staatsoberhaupt nach. Vier Jahre später wird er Oberbefehlshaber der Wehrmacht.
Auch die deutsche Kultur wird gleichgeschaltet und einer strengen Kontrolle unterworfen. Der Mann, dem Hitler diese Aufgabe überträgt, heißt Joseph Goebbels. Der Gauleiter von Berlin wird Hitlers Propagandaminister und herrscht in den kommenden zwölf Jahren über die Presse, den Rundfunk, die Theater, die Museen und die Filmindustrie. Kleinwüchsig und von Geburt an durch einen Klumpfuß behindert, preist der einst als Schriftsteller gescheiterte oberste Kunstwart des Regimes die arische Rasse und verdammt die »entartete« Kunst. Die großen Werke des Expressionismus und der Abstrakten – darunter die Bilder so weltberühmter Künstler wie Max Beckmann, Max Ernst, Paul Klee oder Wassily Kandinsky – entfernt man aus den Museen. Aus den Spielplänen der Theater werden die Opern von Alban Berg oder Paul Hindemith gestrichen. Auch die Werke der jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, Gustav Mahler oder Arnold Schönberg verschwinden vom Programm. Jazz und Swing gelten als »Niggermusik«. Richard Wagners Opern haben im Dritten Reich dagegen Hochkonjunktur.
An die Stelle der »dekadenten und entarteten« Kunstwerke tritt eine pathetische, gewalttätige Architektur. Das Reichsparteitagsgelände des Nazi-Architekten |231| Albert Speer in Nürnberg oder das »Reichssportfeld«, das Werner March für die Olympischen Spiele 1936 bebaut, sind Beispiele für die neue Gigantomanie. In der »Blut-und-Boden-Malerei« gibt es nun Bilder aus der deutschen Arbeits- und Familienwelt im Stile eines heroisierenden Realismus. Die Bildhauer schaffen überdimensionale, meist nackte Figuren, die »arische« Männer und Frauen darstellen. Antisemitische, auf die angeblich heile Welt der germanischen und mittelalterlichen Vergangenheit hinweisende Heimatliteratur, in der die Scholle gepflügt und die Rasse reingehalten wird, oder unverfängliche Unterhaltungsromane ersetzen die Bücher von Franz Kafka, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, Joseph Roth oder Alfred Döblin.
Die Zeitungen unterliegen einer strengen Zensur. Das Propagandaministerium gibt täglich die Meldungen heraus, die von den Medien zu veröffentlichen sind. Die großen Berliner Blätter der jüdischen Verlage Ullstein und Mosse werden verboten. Die Frankfurter Zeitung versucht in den ersten Nazi-Jahren noch, »zwischen den Zeilen« einige nicht konforme Nachrichten und Gedanken zu veröffentlichen. Bald hört auch das auf. Millionenauflagen erreicht jetzt der Völkische Beobachter. In Berlin sorgt zusätzlich der bis 1934 von Goebbels herausgegebene Angriff für die Indoktrinierung der Leser. Der fränkische Gauleiter Julius Streicher verlegt in Nürnberg das antisemitische Schmier- und Kampfblatt Der Stürmer. Der Rundfunk wird zentralisiert. Die regionalen Rundfunkhäuser in Köln, Hamburg, Stuttgart, München, Frankfurt oder Königsberg müssen immer häufiger Beiträge übernehmen, die im Berliner Reichssender produziert werden. Natürlich stehen kurz nach der Machtübernahme nur noch Nationalsozialisten an der Spitze der Sender. Das Regime erkennt die großen Propagandamöglichkeiten, die das Radio ihm bietet. Mit dem Bau und Verkauf des preiswerten »Volksempfängers« gelingt es den Nationalsozialisten, ihre Botschaften in fast jedes Wohnzimmer zu tragen.
Goebbels weiß auch um die Wichtigkeit des neuen Mediums Kino. Der Staat übernimmt die Universal Film Aktiengesellschaft (UFA). In den Babelsberger Studios geht bald nichts mehr ohne den Reichspropagandaminister. Alle gedrehten Filme unterliegen seiner persönlichen Begutachtung. Propagandastreifen wie Fridericus Rex oder Jud Süß, die Deutschlands Geschichte verklären, die politische Gegenwart preisen oder das Judentum verunglimpfen, wechseln mit Unterhaltungsfilmen, die vor allem in den Kriegsjahren die Bevölkerung ablenken und erheitern sollen. Den Krieg vergessen lassen dann für ein paar schöne Stunden Hans Albers, Heinz Rühmann oder Zarah Leander, wenn sie von der Kinoleinwand herunter bekräftigen: »Davon geht die Welt nicht unter«, |232| »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern« oder »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n ...« Schriftsteller, Journalisten, Schauspieler, Maler und Musiker müssen Mitglied der Reichskulturkammer werden, sonst verlieren sie ihre Arbeitserlaubnis. Die Nazis schaffen sich damit ein
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