Die Geschichte der Deutschen
Der Mensch als Ebenbild Gottes ist nicht das Zentrum des Alls, die Erde ist nicht einzig, sondern ein Planet wie alle anderen auch.
Der Kritiker Roms denkt zunächst überhaupt nicht an die Gründung einer neuen Kirchengemeinschaft. Erst die harte Linie des Papstes und der Fortgang der Ereignisse in Deutschland, die bald auch eine weitreichende politische Dimension annehmen, führen ihn auf diesen Weg. Gleichzeitig aber löst Luthers Wirken bedeutende Reformen innerhalb des Katholizismus aus.
Martin Luther hat viel Licht gebracht, aber es gibt auch Schatten. Er ist ein Judenhasser und steht damit ganz in der Tradition der christlichen Kirche. 1543 veröffentlicht er seine berühmte, 200-seitige Streitschrift Über die Juden und ihre Lügen. Er rät den Christen in diesem schauerlichen, argumentativ ganz auf die Vorurteile der Zeit eingehenden Buch, sich in keinerlei Diskussionen mit Juden einzulassen und schreibt: »Darum wisse du, lieber Christ, und zweifle nicht daran, dass du nächst dem Teufel keinen bittereren Feind habest als einen rechten Juden, der mit Ernst Jude sein will.« Luther rät den Christen, man solle die Synagogen verbrennen, es den Juden verbieten, auf ihre Weise zu Gott zu beten, und am besten wäre es, wenn die Fürsten sie aus ihren Ländern vertreiben würden.
|83| 1524/25 erschüttern die Bauernkriege das Reich. Es gärt bereits lange in der Bauernschaft. Schon zu Beginn des Jahrhunderts bildet sich im oberen Rheintal eine Verschwörergruppe, die auf ihrer Fahne einen gebundenen Schuh gemalt hat und »Bundschuh« genannt wird. 1514 erschreckt eine Bauernbewegung, die den Namen der »Arme Konrad« trägt, die Dörfer Württembergs. Nicht zuletzt von den Ideen der Reformation beeinflusst, wenden sich Mitte der zwanziger Jahre die Bauern erneut gegen ihre Grundherren. Sie verlangen in den Zwölf Artikeln der Bauernschaft in Schwaben die Abschaffung der Leibeigenschaft. Die Bauern sprechen damit eine besonders krasse Form der Abhängigkeit an. Leibeigene können über ihr Leben und über ihre Arbeitskraft grundsätzlich nicht frei verfügen. Sie sind ihrem Herrn zu Diensten und Abgaben verpflichtet und dürfen nicht ohne dessen Einwilligung heiraten.
Obwohl Luther viele der Forderungen der Bauern anerkennt, ermahnt er sie, seine Lehre nicht politisch zu instrumentalisieren. Zudem empört ihn die Weigerung der Bauern, weiterhin den Kirchenzehnten zu zahlen. Luther spricht sich strikt gegen Gewaltaktionen aus. Als seine Rufe ungehört verhallen, veröffentlicht er 1525 die Schrift Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der andern Bauern. Ein wüstes, völlig einseitig die Position der Obrigkeit verteidigendes Pamphlet ist es geworden. Indem die Bauern »Aufruhr anzetteln, berauben und plündern«, würden sie eine schwere Sünde begehen. Und Luther verurteilt, dass sich die Bauern in ihrem Handeln auf das Evangelium berufen. Seine Attacke mündet in einem Aufruf an die Fürsten: »Darum, liebe Herren,... steche, schlage, würge hier, wer da kann. Bleibst du darüber tot – wohl dir! Ein seligeren Tod kannst du niemals erreichen; denn du stirbst im Gehorsam gegen das göttliche Wort...«. Die Truppen des Schwäbischen Bundes, der die Interessen der Grundherrn vertritt, lassen sich das nicht zweimal sagen. Die schlecht bewaffneten Bauernheere werden im Sommer 1525 in offener Feldschlacht geschlagen. Etwa 100 000 Bauern fallen. Die Überlebenden werden grausam hingerichtet.
Der fatale Mordaufruf bleibt in den nächsten Jahrhunderten überaus folgenreich für das Verhältnis der protestantischen Kirchen zum Staat. Er rechtfertigt mit Hinweis auf das Evangelium die Gewalt der Obrigkeit gegen ihre Untertanen, im Falle der Bauern sogar auch dann, wenn sie um ihre Rechte kämpfen. Unterstrichen wird diese Haltung durch Luthers Zwei-Reiche-Lehre. In seiner Schrift Von der weltlichen Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei heißt es: »Darum muss man die beiden Regimente sorgfältig voneinander unterscheiden und beide bleiben lassen: eins, das fromm macht, das andere, das äußerlich |84| Frieden schafft und bösen Werken wehrt.« Nur dass diese Macht immer wieder selbst böse ist, das haben zumindest seine Anhänger gerne übersehen. Luther beruft sich im übrigen auch auf den Apostel Paulus, der in seinen Römerbriefen schreibt: »Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott
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