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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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weiteren Schritt zu tun.
    Early stand neben Bernice – neben Bernice’ Leiche – und hielt eine leere Schnapsflasche in der Hand.
    »Weißt du, was das ist?«
    »Ich habe keinen Tropfen Alkohol getrunken«, protestierte Bootsie. »Ich wollte, aber ich hab’s nicht getan.«
    »Du vielleicht nicht«, brummte Early, »aber sie ganz bestimmt.«
    Er drehte die Flasche auf den Kopf, und Blut tropfte auf den Fußboden. Zumindest sah die Flüssigkeit aus wie Blut.
    »Schlehenlikör«, sagte Early. »Anscheinend hat sie sich fürchterlich besoffen, ist gestolpert, als sie aus der Badewanne steigen wollte, auf die Flasche gefallen und ohnmächtig geworden. Wenn du nicht selbst nach Whiskey gestunken hättest, hättest du’s gerochen.«
    Bootsie wurde so schwach vor Erleichterung, dass er sich gegen die Wand lehnen musste.
    »Also wird sie nicht sterben?«
    »Nein, höchstens an ihrem Kater. Was hast du hier überhaupt verloren? Im Haus eines anderen Mannes – bei der Frau eines anderen Mannes …«
    »Der Prediger hat mich hergeschickt«, sagte Bootsie. »Er hat sich Sorgen um sie gemacht, weil sie nicht zum Gottesdienst gekommen ist.«
    »Der soll es bloß nicht wagen, jemanden zu meiner Frau zu schicken, wenn die mal nicht zum Gottesdienst kommt«, sagte jemand hinter ihnen.
    Bootsie und Early drehten sich gleichzeitig um und sahen zwei Sanitäter in der Tür stehen. Der gerade gesprochen hatte, war ein kleines, muskulöses Großmaul namens Lawrence Sowieso. Er war in letzter Zeit ein paarmal in der Bar gewesen, während seine Frau auf der anderen Straßenseite am Revival teilgenommen hatte. Der andere war Joe Bill Raders Bruder Ronnie. Beide hatten genug mitbekommen, um zu wissen, dass es sich hier um keinen echten Notfall handelte, und waren leicht verärgert.
    »Tut mir leid, Jungs, dass ich euch umsonst hierherbestellt hab«, sagte Early. »Ihr könnt zurück in die Stadt fahren. Und die Familie von Bernice wäre euch sicher dankbar, wenn ihr nicht überall rumerzählt, was ihr hier gesehen habt.«
    »Keine Sorge«, versicherte ihm Ronnie. »In diesem Job lernt man als Allererstes, wann man seinen Mund halten soll.«
    Natürlich hielten sie ihren Mund nicht, genauso wenig wie die Frauen, die Bootsies Telefongespräch belauscht hatten. Die Telefondrähte im ganzen County glühten, während die vier die pikantesten Details verbreiteten, die man seit Langem in der Gegend gehört hatte. Allerdings wusste niemand genug, um sich die ganze Geschichte zusammenzureimen, also zog jeder seine eigenen Schlüsse. Die meisten glaubten, dass Bernice eine heimliche Alkoholikerin war, wovon Samuel gewusst hatte. Warum sonst hätte er einen verrufenen Kerl wie Bootsie Phillips geschickt, um nach ihr zu sehen, wo es doch so viele gottesfürchtige Menschen gab, die der Aufgabe nur zu gerne nachgekommen wären?
    Und natürlich gab es auch Leute, die vermuteten, dass zwischen Samuel und Bernice etwas Unerlaubtes lief. Schließlich hatten die beiden monatelang ziemlich viel Zeit miteinander verbracht und waren außerdem früher mal ein Paar gewesen. Beide gehörten nicht zu den Menschen, über die man leicht hinwegkam, war man einmal in sie verliebt gewesen.
    Nur dass Bernice Moses versucht haben könnte, sich umzubringen, war das Einzige, was niemand auch nur im Entferntesten in Betracht zog.
    Gegen Ende des Gottesdienstes parkten einige Autos auf dem Revival-Gelände, deren Insassen nicht wegen der Musik oder der religiösen Erweckung gekommen waren. Manche Fahrer saßen bei laufendem Motor und eingeschalteter Heizung in ihrem Wagen und warteten darauf, dass das letzte Gebet gesprochen war und die Gläubigen aus dem Zelt kamen. Andere stiegen aus und stellten sich rauchend neben den Eingang, weil sie unbedingt die Ersten sein wollten, die die Neuigkeit unter den Besuchern des Revivals verbreiteten.
    Auf der anderen Straßenseite parkte ein weiteres Auto neben dem »Never Closes«, dessen Fahrer auf gar nichts wartete.
    Willadee wunderte sich schon, wo Bootsie so lange blieb, und erfuhr dann die Neuigkeiten, als Hobart Snell hereinkam. Hobart war ein alter Mann, dessen Rücken wegen Arthrose genauso krumm war wie die Geschäfte, die er machte. Er war nur selten auf einen Drink im »Never Closes«, doch an diesem Abend kam er hereingehumpelt und steuerte direkt auf die Bar zu.
    »Gib mir ’nen Bourbon«, sagte er zu Willadee. »Sorte ist egal.«
    Willadee dachte, wenn’s ihm egal war, sollte es ihr eigentlich auch egal sein, doch weil

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