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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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keine Rolle mehr. Blieb also nur noch Willadee. Und was war das schon für eine Konkurrentin, wenn man genau darüber nachdachte?
    Bernice war eines der Mädchen im Columbia County gewesen, die eine Woche lang krank im Bett gelegen hatten, als Sam heiratete. Sie war allerdings die Einzige , die von sich behaupten konnte, mal mit ihm verlobt gewesen zu sein – und ihm den Laufpass gegeben hatte. Sie war überzeugt, dass er Willadee nur geheiratet hatte, um sich darüber hinwegzutrösten. Weshalb sonst? Willadee war ja nicht mal hübsch, jedenfalls nicht nach Bernice’ Vorstellungen von Schönheit.
    Jedenfalls hatte es damals gar nicht so weit kommen sollen. Bernice hatte Samuel nur ein wenig schmoren lassen wollen, um ihm eine Lektion zu verpassen, weil er zu nett zu anderen Mädchen war. Dabei war Samuel zu allen nett, egal ob Mann oder Frau, jung oder alt, für ihn gab es zwischen ihnen keinen Unterschied. Doch eine Frau konnte sein Verhalten ganz schön fertigmachen. Also hatte Bernice nur das getan, was jede halbwegs gewitzte Frau getan hätte. Sie hatte ihm schlichtweg einen Denkzettel verpassen wollen. Deswegen konnte man ihr doch keinen Vorwurf machen. Sie hatte sogar vorgehabt, sofort nachzugeben und ihn zu heiraten, sobald er sich einsichtig gezeigt hätte.
    Doch Samuel zeigte sich nicht einsichtig. Während er noch über die Lektion nachdachte, die Bernice ihm erteilen wollte, hatte er Willadee kennengelernt und war so hingerissen von der Frau, wie man es selten zuvor bei einem Mann erlebt hatte. Man hätte meinen können, er sei auf eine Goldader gestoßen. Bernice hatte natürlich von Anfang an gewusst, dass Samuel Willadee in Wahrheit nicht so sehr liebte, wie er nach außen hin vorgab, doch sie hatte ihn nie dazu bringen können, darüber zu reden. Genau genommen konnte sie ihn überhaupt nicht mehr dazu bringen, mit ihr zu reden, außer im allerhöflichsten Konversationston, und das war schlimmer, als wenn er sie ignoriert hätte.
    Bernice hatte sich dann mit Toy verlobt, um Samuel eine zweite Lektion zu erteilen, die er jedoch auch nicht zur Kenntnis genommen hatte. Er hatte Willadee geheiratet, und Bernice war nichts anderes übrig geblieben, als die Sache durchzuziehen und Toy zu ehelichen, was einfach furchtbar gewesen war.
    Armer Toy. Er war so gutmütig und so verrückt nach ihr, dass er nicht mehr klar denken konnte. Aber wenn einen jemand so sehr liebt, dass er nichts als Gegenleistung dafür verlangt, dann wird er natürlich auch nichts bekommen. Das ist eine Art Naturgesetz.
    Während Bernice also auf der Schaukel saß und darüber nachdachte, warum für sie alles so schiefgelaufen war, begannen plötzlich über ihr die Bettfedern zu quietschen. Das heißt, eigentlich begannen sie nicht plötzlich zu quietschen . Das Geräusch fing ganz allmählich an, steigerte sich dann aber in seinem Tempo.
    Da schon das allererste leise Geräusch Bernice einen Stich ins Herz versetzt hatte, kann man sich gut vorstellen, welche Wirkung jedes weitere Geräusch auf sie hatte, besonders als das Quietschen immer lauter und schneller wurde. Wegen so etwas verlieren manche Leute den Verstand, dachte Bernice. Wenn etwas geschieht, womit man nicht umgehen kann, und wenn das dann auch noch einen ganz eigenen Rhythmus entwickelt, an dem man nicht teilhaben und den man nicht beeinflussen kann, dann kann es tatsächlich passieren, dass man Dinge tut, die man normalerweise niemals tun würde.
    Bernice tat Folgendes: Sie sprang mit einem solchen Satz von der Schaukel auf, dass der Inhalt ihres Glases wie die Fontäne eines Geysirs in die Höhe spritzte. Gleichzeitig stopfte sie sich die Faust in den Mund, um nicht laut loszuschreien. Tee und Eisstückchen regneten auf sie herab, ganz zu schweigen von durchweichten Zitronenschnitzen, von denen ein paar in ihren Haaren landeten und dort hängen blieben. Bernice grapschte danach und schmiss die Zitronenstücke an die Decke, während sie mit den Füßen auf dem Boden herumtrampelte wie ein Kind, das einen Wutanfall hat. Es war einfach lächerlich.
    In diesem Augenblick war Bernice Moses so sehr mit sich beschäftigt, dass sie nicht bemerkte, wie Swan die Treppe hinaufschlich und im Haus verschwand, gefolgt von einem achtjährigen Jungen mit weit aufgerissenen Augen, der nur seine Unterwäsche am Leib trug.
    Er marschierte hinter Swan her, als wäre sie sein Erlöser.

8
    Das Bett, in dem Swan schlief, war so hoch, dass sie einen Hocker brauchte, um hineinzuklettern. Der

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