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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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Eindruck von Toy war folgender gewesen: Er stand vor dem Laden und sah aus, als wünschte er, in einem Sarg zurück nach Hause geschickt worden zu sein.
    Joe Bills Frau Omega rief sofort ihre Schwester Almarie an, der man nicht wirklich verdenken konnte, dass sie die Geschichte ein paar guten Freundinnen weitererzählte. Eine dieser Freundinnen war Earlys Frau Patsy, also wusste auch Early bereits einiges über die ganze Sache, als er irgendwann nach Mitternacht einen Anruf erhielt. Einen Anruf von einem Mann, dessen Stimme er kannte.
    »Ich dachte, Sie sollten wissen, dass Yam Ferguson tot ist«, sagte die Stimme. »Ich nehme an, Sie wollen mit mir reden, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir noch ein paar Stunden Zeit ließen.«
    Early hatte dem Mann mehr als nur ein paar Stunden Zeit gelassen. Er hatte ihm all die Jahre Zeit gelassen und immer noch keine einzige Frage gestellt. Er wusste alles, was er wissen musste, ohne auch nur darüber nachzudenken. Toy hatte den Laden seiner Mama verlassen, war nach Hause gegangen und hatte eine Situation vorgefunden, die er nicht ertragen konnte. Am Ende war Yam tot, und Toy hatte nicht gewollt, dass die Leiche bei ihm zu Hause gefunden wurde. Wäre das passiert, wäre Bernice zum Stadtgespräch geworden. Das wurde sie natürlich trotzdem, doch da Toy die Leiche fortgeschafft hatte, konnte sie zumindest so tun, als tappe sie genauso im Dunkeln über die Umstände vom Tod von Yam Ferguson wie alle anderen auch.
    Als Early eintraf, war an Yams Auto keine einzige Beule zu sehen. Als er jedoch im Büro anrief und dem Diensthabenden berichtete, er sei vor ein paar Minuten zufällig am Haus von Yam Ferguson vorbeigefahren und habe dessen Auto auf dem Hof stehen sehen, war das Vorderteil in seiner Erzählung total eingedrückt gewesen. Er habe angehalten, um festzustellen, ob es Yam vielleicht nicht gut ging oder er betrunken war, und als er ausstieg, habe er sofort gesehen, dass das Auto einen Totalschaden hatte. Es sähe so aus, als wäre Yam gegen einen Baum gefahren und hätte sich bei dem Aufprall das Genick gebrochen. Wie der arme Kerl es geschafft hatte, noch nach Hause zu fahren, sei ihm allerdings ein Rätsel.
    Die Familie Ferguson kaufte ihm die Geschichte natürlich nicht eine Minute lang ab und machte ein Riesentheater, doch das nützte nichts. Richter Graves hatte einen Sohn im Krieg verloren und war seitdem selbst Tag für Tag ein bisschen gestorben. Seiner Meinung nach hatte Yam nur das bekommen, was er verdient hatte.
    »Wer ist gestorben?«, war das Erste, was Swan fragte, als sie Oma Calla und Sheriff Meeks erreichte.
    »Bisher noch niemand«, sagte Oma Calla. Damit meinte sie wohl: »Mach bloß keinen Ärger, Swan Lake.«
    Dabei konnte Oma Calla offenbar den Blick nicht losreißen von dem, was sie gerade betrachtete, also blickte auch Swan in die gleiche Richtung und wäre bei dem Anblick, der sich ihr bot, tatsächlich beinah selbst gestorben. Drüben im Kälberpferch stand Willadee, streichelte ein großes weißes Pferd und redete beruhigend auf es ein, während Onkel Toy die blutigen Wunden des Tieres mit Terpentinöl betupfte. Das Pferd zitterte, vielleicht aus Angst, vielleicht vor Schmerzen, ließ aber die Behandlung lautlos über sich ergehen.
    Swan wurde ganz mulmig zumute. Sie hätte sich am liebsten abgewandt, brachte es aber nicht fertig.
    Sheriff Meeks räusperte sich verächtlich und spuckte zur Seite aus.
    »Was ist mit dem Pferd los?«, wollte Swan wissen. »Woher kommt das?« Eigentlich wollte sie nur wissen, ob sie es behalten könne – ganz für sich allein. Sie stellte sich bereits vor, wie sie für das Tier sorgte, es verwöhnte und ihm die beste Freundin war, die es je haben würde. Würde dieses Pferd ihr gehören, würde ihm niemals etwas fehlen, nicht die kleinste Kleinigkeit. Sie würde es bürsten und streicheln und mit Zuckerklümpchen füttern. Swan hatte in Büchern von Kindern gelesen, die Pferden Zuckerklümpchen gaben, und dass dies eine sichere Methode zu sein schien, damit ein Pferd tatsächlich kam, wenn man es rief. Oma Calla hatte zwar keinen Würfelzucker in der Küche, aber dafür welchen im Laden, und Swan hatte vor, ihr eine Schachtel abzuschwatzen. Dafür würde sie sogar arbeiten, wenn es sein musste. Wobei: Etwas für das Pferd – für ihr Pferd – zu tun, das würde keine Arbeit sein, sondern ein wahrer Liebesdienst. Es würde ihr nichts ausmachen, weil sie mit ganzem Herzen dabei wäre. Verflixt, sie hatte ihr

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