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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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ihm breit. So gut hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.
    Allerdings handelte es sich nicht um die Sorte von Plan, die man von heute auf morgen durchführen konnte, zumindest nicht, wenn man es richtig anstellen wollte, und etwas anderes kam für ihn, verdammt noch mal, nicht infrage. Er musste geduldig sein, und in der Zwischenzeit konnten seine hochnäsigen Nachbarn von ihm aus in ihrem eigenen Saft schmoren. Sollten sie doch nachts wach liegen und sich fragen, warum er noch keine weiteren Schritte unternommen hatte, um seinen Sohn zurückzuholen, und was ihnen Teuflisches blühte, wenn er es schließlich tat. Überlegte er es sich recht, dann versüßte ihm die Vorstellung, dass diese Leute nicht mehr ruhig schlafen konnten, das Warten um ein nicht unerhebliches Maß.
    Geraldine war mit dem Haarschnitt fertig und pustete ihm die Haarreste aus dem Nacken. Ras stand auf und fühlte sich wie neugeboren und voller Elan.
    Das war gegen zehn Uhr morgens gewesen. Als es anfing zu dämmern, hatte er die Sattelkammer aufgeräumt, allen Pferden die Hufe geschnitten und Pfosten für einen neuen Futterplatz gesetzt.

27
    Die Zeit verging.
    Die Familien Moses und Lake rechneten fest damit, dass etwas Furchtbares passieren würde, doch je mehr Tage verstrichen, desto unwirklicher kam ihnen der Gedanke vor, zumindest den Kindern. Swan, Blade, Noble und Bienville verbrachten den restlichen Sommer damit, auf Lady zu reiten, Piraten zu spielen und nach einem verborgenen Schatz zu graben. Manchmal krochen sie auch alle unters Haus, legten sich auf den Bauch und zeichneten mit bloßen Fingern Bilder in die weiche Erde, wie sie es von Blade gelernt hatten. An einigen Tagen fingen sie unter der Veranda an und hörten nicht eher auf zu malen, bis sie auf der anderen Seite des Hauses angekommen waren und jeder Zentimeter Boden mit Zeichnungen bedeckt war.
    Die Erwachsenen beobachteten die Kinder beim Spielen, stellten lächelnd fest, wie glücklich sie doch waren, und staunten darüber, wie schnell sie alle wuchsen – insbesondere Blade. Der Junge gedieh wie ein junges Kalb auf einer saftigen Wiese. Es war eine Freude, ihn zu beobachten. Sein schwarzes Auge strahlte, seine Haut glänzte wie poliertes Kupfer, und war er gerade einmal ernst, so brauchte man nicht lange auf ein Lächeln zu warten.
    Samuel ging tagsüber einer Arbeit nach, zu der er sich nicht berufen fühlte, aber die Nächte waren für ihn noch schlimmer. Er versuchte sich die Verzweiflung nicht anmerken zu lassen, die sich in ihm anstaute, doch die Musik und das Gelächter vom »Never Closes« trieben ihn oft hinauf in sein Zimmer, wo er sich dann die »Bibelstunde« im Radio anhörte und Gott um Antworten auf seine vielen Fragen bat. Manchmal verließ er auch das Haus und fuhr so lange mit dem Wagen herum, bis er irgendwo einen Gottesdienst fand. Er ging zu Gebetsstunden und zu Revival Meetings, und wenn in den Kirchen der Weißen in der Gegend nichts davon stattfand, dann ging er eben in die Kirchen der Schwarzen, ließ sich von der enthusiastischen Musik aufbauen und kostete das spirituelle Hochgefühl aus, so lange er konnte.
    Wann immer er kam oder ging, wurde er von Bernice abgefangen. Sie habe an diesem Abend das dringende Bedürfnis, zum Gottesdienst zu gehen. Ob er etwas dagegen habe, wenn sie ihn begleitete? Er konnte schlecht Nein sagen, bat Willadee aber stets mitzukommen. Willadee hatte eigentlich genug zu tun, sie musste sich schließlich um die Kinder kümmern und Obst und Gemüse aus dem Garten einmachen, doch sie nahm sich die Zeit. Als die Kirchgänge sich allerdings immer mehr häuften, wurden sie für sie zu einer Belastung.
    »Könnten wir nicht einfach mal zu Hause bleiben und einen Familienabend machen?«, fragte sie Samuel eines Abends. Er machte sich gerade fertig, um zu einer Gebetsstunde nach Emerson zu fahren, eine winzige Gemeinde, die nur wenige Meilen entfernt lag. Eigentlich sollte sie sich ebenfalls fertig machen, hatte an dem Tag aber zwölf Liter grüne Bohnen eingemacht und ebenso viele Birnen eingekocht, außerdem hatte sie gewaschen, das Haus geputzt, sämtliche Mahlzeiten gekocht, kurz gesagt: Sie war einfach nur müde. »Ich meine, wir könnten auf dem Hof sitzen und die Kinder beobachten, wie sie Leuchtkäfer fangen. Ab und zu ist das auch eine gute Art von Gottesdienst.«
    Samuel erklärte ihr, sie brauche ja nicht mitzukommen, wenn ihr nicht danach sei, aber er sei entschlossen, Gott so lange um Antworten zu ersuchen,

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