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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wingfield Jenny
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Dutch«, sagte Bootsie Phillips.
    »Du hast doch nicht etwa so Sachen gemacht, die man nicht machen darf, wie meine Mama mir immer gepredigt hat, weil man davon blind wird?«, warf Nate Ramsey ein.
    Irgendjemand kicherte, ein anderer machte ein schnaubendes Geräusch durch die Nase, und dann fingen alle im Raum gleichzeitig an, schallend zu lachen. Während Dutch an der Theke stand und die Männer beobachtete, wurde ihm klar, dass er das »Never Closes« auf keinen Fall in Begleitung des Jungen verlassen würde. In einer solchen Situation nützte ihm seine Dienstmarke rein gar nichts, es sei denn, er würde jetzt seine Waffe ziehen, aber er hatte nicht vor, die Waffe auf seine Freunde zu richten. Schon gar nicht wegen eines kleinen Jungen, der beschlossen hatte, nicht mehr mit dem Mann unter einem Dach wohnen zu wollen, der ihm höchstwahrscheinlich mit einer Bullenpeitsche das Auge ausgeschlagen hatte.
    »Ihr seid also ganz sicher , dass ihr ihn nicht seht?«, fragte Dutch die Anwesenden. Er hörte sich ein bisschen an wie bei einer Auktion: »Zum Ersten, zum Zweiten!« Falls es jetzt keine weiteren Angebote gab, würde die Sache gelaufen sein.
    Wieder schüttelten alle die Köpfe. Dutch trank sein Bier aus, rülpste und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
    »Nun ja«, sagte er, »da muss ich wohl ’ne Vision oder so gehabt haben.«
    Damit war die Sache erledigt, zumindest vorläufig. Die Stammgäste jubelten, einer von ihnen kam herüber, schlug Dutch auf den Rücken und sagte, er sei wirklich ein guter Kerl, und einige andere spendierten ihm ein Bier, obwohl er das gar nicht wollte. Blade Ballenger schlug das Herz nicht mehr bis zum Halse, und als Toy ihm das nächste Mal ein Zeichen gab zu verschwinden, huschte er flink wie eine Eidechse durch die Hintertür in die Küche.
    Die anderen Kinder saßen am Tisch, und ihre Augen klebten förmlich an der Tür. Sie hatten auf ihn gewartet.
    »Wie war es denn da drinnen?«, wollte Bienville wissen, sobald Blade hereinkam. »War es ordinär ?«
    Blade wusste nicht genau, was das Wort bedeutete, sagte aber, es sei ziemlich ordinär gewesen.
    »Draußen steht ein Polizeiauto«, sagte Noble. »Hat der Deputy dich gesehen?«
    Blade ließ sich neben Swan auf einen Stuhl plumpsen, holte die Fünf-Cent-Stücke aus der Tasche hervor und stapelte sie vor sich auf den Tisch. Es waren insgesamt elf.
    »Er hat gedacht, dass er mich gesehen hat«, antwortete Blade, »aber dann hat er’s sich anders überlegt. Findet ihr eigentlich auch, dass ich wie ein Pirat aussehe?«
    Als Ras Ballenger erfuhr, dass sein Sohn bei den Moses Unterschlupf gefunden hatte und die Polizei und zahlreiche Leute aus der Gegend sich verschworen hatten, ihn nicht wieder zurück nach Hause zu lassen, wurde er fuchsteufelswild. Er würde Toy Moses umbringen, ja, das würde er tatsächlich. Er würde in die Bar gehen und dem Hurensohn einen Schuss zwischen die Augen verpassen.
    »Dafür kommst du auf den elektrischen Stuhl«, erklärte seine Frau ihm, nachdem sie die Drohung ungefähr zum zehnten Mal gehört hatte. Sie duckte sich nicht einmal, als sie das sagte.
    »Mach dir bloß keine Hoffnungen«, knurrte er.
    Allerdings hatte sie nicht ganz unrecht. Brachte man jemanden kaltblütig um, besonders in aller Öffentlichkeit, dann musste man normalerweise dafür zahlen. Selbst wenn es sich um einen gerechtfertigten Mord handelte, sah das Gesetz die Sache nicht unbedingt aus der Sicht der Person, die den Mord für gerechtfertigt gehalten hatte.
    Von nun an dachte Ras von früh bis spät darüber nach, wie er es Toy und dem gesamten Moses-Clan heimzahlen konnte. Da jedoch jeder über den Streit zwischen den beiden Familien Bescheid wusste, würde man Ras für alles, was ab jetzt da drüben passierte, die Schuld geben. Brannte das Haus ab, würde man ihn wegen Brandstiftung verhaften. Fiel jemand von der Leiter, würde man ihn beschuldigen, die Sprossen angesägt zu haben.
    Schließlich hatte er eine Idee, die so wunderbar und so simpel war, dass er sich fragte, warum er nicht schon früher darauf gekommen war. Er saß im Hof auf einem Stuhl mit gerader Lehne, als ihm der Gedanke durch den Kopf zuckte. Saß da und betrachtete sein Haus, die Nebengebäude und das Gewirr von Ställen und Pferchen, während Geraldine ihm die Haare schnitt. Bis zu diesem Augenblick war er ein absolutes Nervenbündel gewesen, halb wahnsinnig vor Zorn, doch sobald er wusste, was er zu tun hatte, machte sich eine große Ruhe in

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