Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
Vom Netzwerk:
gehen.«
    »Katuro ist mit dir gegangen«, sagt Toby. Das weiß sie. »Rebecca. Nashorn. Shackleton, Crozier und Oates.«
    »Zuerst auch Amanda«, sagt Zeb. »Aber die war bald wieder weg. Dann kamen neue hinzu. Elfenbeinspecht. Lotis Blue. Weiße Segge. Manatee, Tamaraw.«
    »Und Swift-Fuchs«, sagt Toby.
    »Genau, die auch. Wir dachten ja, Glenn – also, Crake – wäre unser Verbindungsmann, der uns durch den MaddAddam-Chatroom mit Informationen versorgt. Dabei hatte er das alles bloß inszeniert, um uns in sein Paradies-Projekt zu holen und ihm seine gengespleißten Menschen zu bauen.«
    »Und seine Seuchen-Virus-Mischungen?«, fragt Toby.
    »Nicht dass ich wüsste«, sagt Zeb. »Das hat er selber gemacht.«
    »Um seine perfekte Welt zu schaffen«, sagt Toby.
    »Nicht perfekt«, sagt Zeb. »Das hätte er nie behauptet. Er wollte eher die Welt nochmal auf Anfang setzen. Und auf seine Art ist ihm das ja auch gelungen. Bisher.«
    »Mit den Painballern hat er nicht gerechnet«, sagt Toby.
    »Das hätte er sollen. Oder mit was Ähnlichem«, sagt Zeb.
    Es ist sehr still dort unten im Wald. Ein Crakerkind singt im Schlaf. Am Rand des Swimmingpools liegen die Organschweine und träumen, sie stoßen kleine Grunzer aus wie Rauchwölkchen. Irgendwo in der Ferne kreischt ein Tier: ein Luxkätzchen?
    Es weht eine kühle sanfte Brise; die Blätter tun das, was Blätter tun müssen, nämlich rascheln; der Mond zieht über den Nachthimmel, bewegt sich auf seine nächste Phase zu, markiert die Zeit.
    »Du solltest ein bisschen schlafen«, sagt Zeb.
    »Sollten wir beide«, sagt Toby. »Wir werden unsere Energie brauchen.«
    »Wär ich doch nur zwanzig Jahre jünger«, sagt Zeb. »Nicht dass diese Painballkerle besser in Form wären. Gott weiß, wovon die sich in letzter Zeit ernährt haben.«
    »Die Organschweine sind fit genug«, sagt Toby.
    »Nur schießen können sie nicht«, sagt Zeb. Er schweigt. »Wenn wir beide den morgigen Tag überleben, sollten wir vielleicht dieses Lagerfeuerding machen. Mit den grünen Zweigen.«
    Toby lacht. »Hast du nicht gesagt, das sei ein sinnentleertes Symbol?«
    »Manchmal kann sogar ein sinnentleertes Symbol einen Sinn haben«, sagt Zeb. »Soll das ein Korb sein?«
    »Nein«, sagt Toby. »Wie kannst du das denken?«
    »Ich befürchte das Schlimmste«, sagt Zeb.
    »Wäre das das Schlimmste? Wenn ich dir einen Korb geben würde?«
    »Jetzt hab mal ein bisschen Mitleid mit nem Kerl, der sich gerade vor dir entblößt hat.«
    »Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass du das ernst meinst«, sagt Toby.
    Zeb seufzt. »Lass uns ein bisschen schlafen, Baby. Wir kriegen das schon hin. Bald geht die Sonne auf.«

EIERSCHALE

Appell
    Pfirsichfarbener Dunst im Osten. Der Tag bricht an, anfangs noch so kühl und zart, die Sonne noch kein heißer Scheinwerfer. Die Krähen sind überall und rufen einander zu: Kräh! Krähkräh! Kräh! Was sagen sie? Passt auf! Passt auf! Oder vielleicht: Bald gibt’s was zu feiern! Wo es Krieg gibt, gibt es Krähen, die Aasfresser. Und auch Raben, die Kriegsvögel, die Augäpfel-Feinschmecker. Und Geier, die heiligen Vögel aus uralten Zeiten, die alten Kenner der Verwesung.
    Lass die morbiden Selbstgespräche, sagt Toby zu sich. Was du jetzt brauchst, ist eine positive Einstellung. Dazu waren die Trompetenfanfaren gut, die Trommeln, die Marschmusik. Wir sind unbesiegbar, wurde den Soldaten durch diese Musik suggeriert. Sie mussten daran glauben, an diese Lügenmelodien, wie hätten sie sonst furchtlos in den Tod ziehen können? Die Berserker in ihren Bärenfellen sollen sich vor dem Kampf mit nördlichen halluzinogenen Pilzen aufgeputscht haben: Amanita muscaria vielleicht, sagte Pilar bei den Gärtnern damals. Historische Pilzpraktiken, nur für ältere Schüler.
    Vielleicht sollte ich die Wasserflaschen damit versetzen, denkt sie. Erst den Kopf vergiften, dann losmarschieren und Leute umbringen. Oder sich umbringen lassen.
    Sie steht auf, windet sich aus ihrem rosa Laken, zittert. Es hat Tau gegeben: Ihr Haar ist benetzt, die Augenbrauen. Ihr ist der Fuß eingeschlafen. Ihre Flinte steht noch dort, wo sie sie abgestellt hat, in Reichweite; und auch das Fernglas.
    Zeb ist schon auf, er lehnt am Geländer. »Ich bin letzte Nacht eingenickt«, sagt sie zu ihm. »Keine so tolle Wache, tut mir leid.«
    »Ich auch«, sagt er. »Lass mal, die Schweine hätten Alarm geläutet.«
    »Geläutet?«, sagte sie mit einem kleinen Lacher.
    »Du mit deiner Wortklauberei. Dann eben Alarm

Weitere Kostenlose Bücher