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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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konnte; um anschließend alle Spuren zu verwischen. Dann borgte er sich ein anderes Auto aus, das zufällig gerade zur Verfügung stand. Die Leute waren aber auch wirklich unvorsichtig.
    So weit, so gut; aber dann war da noch das Mädchen. Sie hieß Minta, er musste dabei immer an Zahncreme denken. Frisch und grün. Während ihrer Flucht war sie stark geblieben, sie hatte nicht die Nerven verloren, sie hatte den Mund gehalten. Wahrscheinlich stand sie unter Schock, denn jetzt strich sie die Segel. Irgendetwas fraß an ihr, aber ob es etwas Mentales oder Körperliches war, konnte er nicht sagen. Waren sie in der Öffentlichkeit, auf der Straße oder in einem Laden, ging es ihr gut – sie konnte sich über kurze Phasen hinweg normal benehmen –, aber in geschlossenen Räumen oder gar im Auto, auf Zickzackkurs nach Norden und nach Westen, verbrachte sie die Zeit mit ihren beiden Spezialinteressen, verzweifeltes Schluchzen und Ins-Leere-Starren. Fernsehen stellte für sie ebensowenig eine Ablenkung dar wie Sex. Verständlicherweise wollte sie von Zeb nicht angefasst werden, auch wenn sie aus Dankbarkeit und als Bezahlung alles anbot, was er sich selber in Sachen Berührung hätte wünschen können.
    »Und du hast dich drauf eingelassen?«, fragt Toby mit gezwungen munterer Stimme. Wie kann sie eifersüchtig sein auf ein menschliches Wrack, auf ein Gespenst?
    »Genau genommen, nein«, sagt Zeb. »Hätte ich ja nichts von gehabt. Da hätt ich mir ja genauso in irgendnem Shoppingzentrum nen Prostibot-Wichsrobotor mieten können. Ich fand’s lustiger, ihr zu sagen, lass mal. Danach durfte ich sie ein bisschen in den Arm nehmen. Ich dachte, es würde sie vielleicht beruhigen, aber sie fröstelte nur.«
    Minta fing an, Geräusche zu hören – Schritte, schweres Atmen, metallische Klappergeräusche –, und jedes Mal, wenn sie das jeweilige schäbige Hotel verließ, in dem sie gerade abgestiegen waren, hatte sie Angst. Zeb hätte sich stilvollere Unterkünfte leisten können, aber es war besser, in den tieferen Plebs zu bleiben, in den Schatten.
    Traurigerweise ging es mit Minta zu Ende, als sie in San Diego von einem Balkon sprang. Er war zu dem Zeitpunkt nicht im Zimmer, er war draußen gewesen, um ihr einen Kaffee zu holen, aber er sah, wie sich die Menschenmenge versammelte, und er hörte die Sirenen. Das hieß, er musste die Stadt in aller Eile verlassen, um einer polizeilichen Befragung aus dem Weg zu gehen, sofern überhaupt eine gemacht wurde; und das wiederum hieß, dass seine Person ganz oben auf der Liste der Mordverdächtigen stehen könnte, vorausgesetzt, die Behörden entschlossen sich, der Sache nachzugehen, wovon sie zunehmend absahen. Aber wo hätten sie auch anfangen sollen? Minta hatte keine Identität. Er hatte nichts von sich zurückgelassen – er nahm bewusst immer alles mit, wenn er ein Zimmer verließ –, aber wer weiß, ob nicht irgendwo in der Nähe Sicherheitskameras installiert waren? Eher unwahrscheinlich in den Schattenregionen der Plebs, aber man konnte nie wissen.
    Er schaffte es bis rauf nach Seattle, wo er einen hastigen Blick in die Geburt der Venus-Zephyr-Dropbox warf, die er sich mit Adam teilte. Er hatte eine Mail: »Bestätige, dass du noch im Körper bist.« Gelegentlich ahmte Adam auf unheimliche Weise Hochwürdens Sprache nach.
    »In wessen Körper?«, schrieb Zeb zurück.
    Es war ein alter Witz von ihm: Früher hatte er sich immer lächerlich gemacht über Hochwürdens scheinheilige Mensch-verlässt-Körper-Grabredefloskeln. Er machte diesen Witz, um Adam wissen zu lassen, dass er es wirklich war und nicht irgendein Lockvogel. Tatsächlich hatte Adam diese Körper-Frage bewusst gestellt, denn er würde wissen, dass Zeb nicht widerstehen könnte; wohingegen ein falscher Zeb einfach nur normal antworten würde. Adam war ja meistens eine Nasenlänge voraus.
    Seine nächste Station war Whitehorse. In einer Bar in Rio hatte er von der Bärenbrücke erfahren und fand, dass sie ein gutes Versteck abgeben würde, denn so einen Laden würde ihm niemand zutrauen. Die Hacksaw-Leute nicht, die eine offene Rechnung mit ihm hatten: Die würden ihn an irgendeinem anderen Hacker-Hotspot suchen, Goa zum Beispiel. Und Hochwürden auch nicht: An wilden Tieren hatte Zeb nie Interesse gezeigt.
    »Und so«, sagt Zeb, »landete ich schließlich in den Mackenzie Mountain Barrens, überfiel in einem Bärenfell einen Mountainbiker und wurde für Bigfoot gehalten.«
    »Verständlicherweise«, sagt

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