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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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kann man einiges durchziehen. Slaight nannte all seine schönen Assistentinnen ›die Irreführung‹. Als Oberbegriff.«
    »Vielleicht konnte er sie nicht unterscheiden?«
    »Vielleicht nicht. Die interessierten ihn in der Hinsicht aber nicht. Sie mussten nur in Pailletten gut aussehen, in möglichst wenig Pailletten. Die angesagteste Irreführung war Katrina Wu, eine katzenäugige Asian-Fusion-Mischlingsfrau aus Palo Alto. Insgeheim nannte ich sie Katrina Wow und versuchte mich mit ihr anzufreunden – GeheimBurgergirl Wynette hatte eine ganze Welt der Möglichkeiten eröffnet, und ich wollte es wissen –, aber die Irreführung Miss Wow wollte nichts von mir wissen. Ich nahm sie jedes Wochenende in den Arm, stopfte sie zum Zersägen und Verschwinden in Kisten und Schränke oder legte sie zum Schweben auf irgendeinen Tisch, und ab und zu drückte ich sie an mich und warf ihr einen, wie ich glaubte, unwiderstehlichen Blick zu, aber sie lächelte nur und zischte mich wütend an: Lass das, und zwar sofort.
    »Du kannst aber gut zischen. Vielleicht hatte man ihr die gesamten Lebenssäfte rausgesägt.«
    »Bestimmt nicht. Um die kümmerte sich einer der Hochseilartisten. Unter der Woche, wenn sie nicht bei Slaight dem Zweiten assistierte, lernte sie bei dem Typen Trapezschaukeln; die beiden studierten zusammen ne Stripnummer auf dem Hochseil ein. Dafür hatte sie mehrere Outfits: ein Vogelkostüm und eines aus Schlangenhaut. Für die Schlangennummer hatte sie auch ne echte Schlange: ne Art hirnlose Python. Sie hieß March, weil Miss Wow meinte, März sei der Monat der Hoffnung und ihre Python immer hoffnungsvoll.
    »Sie schien das Vieh echt zu mögen; bei einigen ihrer Nummern hängte sie sich die Schlange um den Hals, und die durfte sich dann ne Runde winden. Ich freundete mich mit March an, ich fing ihr Mäuse. Ich dachte, diese terrorisierten Mäuse könnten der Schlüssel zu Miss Wows Herz sein. Aber nein, keine Chance.«
    »Was ist das eigentlich mit Frauen und Schlangen?«, fragt Toby. »Oder in dem Fall Frauen und Vögeln?«
    »Wir sehen euch gern als wilde Tiere«, sagt Zeb. »Unter der ganzen Dekoration.«
    »Du meinst als dümmlich? Oder als nichtmenschlich?«
    »Jetzt komm mal runter. Ich meine damit, wild und unberechenbar, im positiven Sinne. Eine Frau mit Schuppen oder Federn hat was ungemein Reizvolles. Was Kantiges, wie eine Göttin. Was Gefährliches, Extremes.«
    »Na, dann treffen wir uns ja in der Mitte. Und was war dann?«
    »Eines Tages haben Katrina Wow und der Hochseiltyp die Biege gemacht. Und die Python namens March – die ging mit. Das machte mir ziemlich zu schaffen damals, nicht so sehr wegen der Schlange, eher wegen Miss Wow. Infiziert wie ich war von Amors eitrigem Pfeil. Ich gebe zu, ich hab’s als persönliche Beleidigung empfunden.«
    »Kann ich mir gar nicht vorstellen bei dir«, sagt Toby.
    »Ist aber so. Nicht, dass es einer bemerkt hätte, also bin ich mir hauptsächlich selber damit auf den Sack gegangen. Man erzählte sich, dass Katrina und der Typ an die Ostküste seien, um ihr Glück zu machen. Ein paar Jahre später erfuhr ich, dass sie mit demselben Schlangen- und Vogelmotto ein Edel-Striplokal eröffnet hatten, das Scales and Tails. Die fingen klein an, und irgendwann wurde der Laden zum Franchise ausgebaut. Das war noch, bevor der Sexmarkt vom CorpSeCorps übernommen wurde.«
    »So wie das Scales in Sinkhole, in der Nähe vom Dachgarten Eden? Das gehörte dazu?«
    »Genau. Wo die Gärtnerkinder die Reste aus den Weinflaschen sammelten, für die Essigherstellung. Derselbe Franchise. Die Leute da haben mir im entscheidenden Moment den Arsch gerettet, aber dazu später.«
    »Geht’s dabei um dich und diese Schlangenfrau? Hat sie dich endlich rangelassen? Ich kann’s kaum erwarten. Durfte die Python mitmachen?«
    »Jetzt mal halblang. Ich versuche hier chronologisch zu erzählen. Und stell dir vor, es dreht sich nicht immer nur alles um mein Sexleben.«
    Bisher aber schon zum großen Teil, möchte Toby am liebsten sagen, aber sie hält sich zurück: Es ist unfair, erst alles hören zu wollen und sich dann zu beschweren, das sieht sie ein. »Okay, schieß los«, sagt sie.
    »Also, nachdem Katrina Wow aus der Schwimmenden Welt verschwunden war, zog der alte Slaight los, um nach einer neuen Irreführung zu suchen, und vielleicht auch nach einem ästhetisch ansprechenderen Aufführungsort, der nicht ständig kurz davor war, ins Wasser zu fallen. Also wusste ich nichts mit mir

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