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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Halbrook
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vorbeifliegende Landschaft betrachten kann. Vor einer Weile sind wir am Großen Salzsee vorbeigebraust, und sie war richtig geknickt, weil er so hässlich war und wegen dem grauen Ufer und überhaupt dem ganzen See. Aber in Nevada gibt es sonst auch nicht viel mehr zu sehen. Gestrüpp und Büsche und noch mehr Gestrüpp, ein paar Berge in der Ferne.
    Dann langweilt sie die Landschaft, und sie will stattdessen lieber mich anschauen.
    »Du bist das schönste Geschöpf, das ich je gesehen habe«, sagt sie und verschränkt ihre Finger mit meinen.
    Das ist ein tolles Kompliment, und ich muss deshalb grinsen und weil ihre Wangen ganz rot werden.
    »Kannst wohl nichts Nettes sagen, ohne gleich rot zu werden?«, ziehe ich sie auf. »Aber mich zu beschimpfen, damit hast du keine Probleme.« Sie boxt mich spielerisch in den Arm. »Ich liebe dich. Beschimpfungen und alles.«
    »Ich liebe dich«, sagt sie zu mir.
    Ich denke darüber nach, wie oft wir das schon gesagt haben, seit wir abgehauen sind. Häufig. Mir gefällt das. Geliebt zu werden, ist ein ganz neues, verrücktes Gefühl. Ich kann gar nicht genug davon kriegen.
    Sie lehnt ihren Kopf an meinen Arm, und ich richte mein Augenmerk wieder auf die Straße und die Stadt, die darauf wartet, wie eine Bombe einzuschlagen. Ich bin nicht sicher, was ich dort finden werde, was ich dort finden soll. Ich weiß nicht einmal, warum Zoe denkt, dass es so wichtig ist, dorthin zu fahren. Weshalb? Meine Wurzeln finden, mich selbst erkennen? Ich weiß nicht mal, was zum Teufel das überhaupt bedeutet. Ich bin, wer ich bin. Ich bin, was ein Haufen Jahre voller Scheiße plus das kleine bisschen von Zoe aus mir gemacht haben.
    Muss einfach die Tür zumachen hinter dem Ort. Sehen, was übrig ist, und weitermachen. Meine Mom wird nicht übrig sein. Ich hab keine Ahnung, was mit ihr passiert ist. Meine Oma hat nie von ihr gesprochen. Kein einziges Mal. Das, was einem Gespräch über meine Mom wohl am nächsten gekommen ist, waren die Male, wenn sie mich mit diesem mitleidvollen Blick über den Esstisch hinweg angesehen hat. So als täte es ihr leid, dass sie irgendwie für meine Geburt verantwortlich ist, weil sie eine Tochter in die Welt gesetzt hat.
    Und mein Dad? Verdammt, es gibt einen Grund, dass auf meiner Geburtsurkunde ein leerer Fleck zu finden ist. Wenn ich in Elko oder irgendwo anders etwas von ihm lernen kann, dann, dass ich nicht so sein will wie er. Ich bin mir nicht wirklich sicher, was es bedeutet, ein Mann zu sein, aber es ist todsicher nicht das, was er glaubt, dass es ist. Wer auch immer er ist.
    Zoe nickt neben mir ein, und sie schläft noch, als wir an dem »Willkommen in Elko«-Schild vorbeifahren, aber da verpasst sie nicht viel. Die Stadt ist ungefähr so, wie ich sie mir vorgestellt habe: braun, mit niedrigen Gebäuden, einem grünen Golfplatz und Wohnsiedlungen neben dem Freeway. Es sind nur wir und ein paar Sattelzüge auf der Straße. Ich fahre rechts ran, als ein paar Geschäfte auftauchen. Zoe wacht auf und funkelt mich durch ihre rosafarbenen Gläser wütend an, weil ich sie nicht früher geweckt habe.
    »Was? Da gab’s nichts zu sehen.«
    Wir schlendern durch einen Supermarkt, schnappen uns ein paar Sandwiches und Chips, und ich frage den Typen an der Kasse, ob sie ein Telefonbuch haben. Ich überfliege die Namen, kann mir aber nicht vorstellen, dass Misty drinsteht. Es ist lange her, dass ich auf ihrer Türschwelle ausgesetzt worden bin. Wahrscheinlich ist sie längst umgezogen. Und Mary Torres wird nicht hier wohnen. Fast hätte ich nachgeschaut, nur um zu sehen, ob sie aus irgendeinem Grund zurückgekommen ist. Könnte ich ihr überhaupt gegenübertreten, wenn sie es wäre? Ich blättere nicht bis zum T , suche nur Mrs. Fletcher, Mistys Mom, und belasse es dabei. Ich zeige auf die Adresse und frage den Kerl, wie man dorthin kommt. Er murmelt was davon, wie nah das ist, zeichnet es mir dann aber trotzdem auf der Rückseite unseres Kassenzettels auf, als wären wir Idioten.
    Wir gehen zurück zum Auto.
    Ich sitze wie erstarrt auf dem Fahrersitz.
    »Bei dir alles okay?«, fragt Zoe.
    Ich erinnere mich nicht an das Haus oder wie Mrs. Fletcher aussieht. Spielt auch keine Rolle. Wahrscheinlich sieht sie nach vierzehn Jahren sowieso anders aus, selbst wenn ich mich an sie erinnern könnte. »Na schön. Willst du sehen, wo ich geboren wurde?«
    Zoe reißt eine Tüte Chips auf und steckt eins in den Mund. Ich nehme an, dass das ein Ja ist. Wir kommen in einen

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