Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Warum auch zum Teufel, lassen Sie sich beikommen, eine Philosophin zu werden, wenn Sie die Wahrheit nicht hören wollen? Sucht man denn Höflichkeit auf der hohen Schule? Ich habe Ihnen freie Hand gelassen, gönnen Sie nun auch mir gefälligst Spielraum Ich sagte Ihnen also, Ihr alle seid Tiere..«
»Ja Fürst,« antwortete Mirzoza, »dafür eben blieben Sie mir den Beweis schuldig.«
»Der ist leicht geführt,« erwiderte der Sultan. Darauf kramte er all die Frechheiten aus, die man so oft, ohne Witz und Anmut, gegen ein Geschlecht vorgebracht hat, das diese beiden Eigenschaften im höchsten Grade besitzt. Nie ward Mirzozas Geduld auf eine härtere Probe gestellt, nie in Ihrem Leben würden Sie so viel Langeweile empfunden haben, als wenn ich ihnen Mangoguls Vernunftsgründe vorlegen wollte. Dieser Fürst, dem es sonst nicht an gesundem Menschenverstande fehlte, war an jenem Tage von einer schier unbegreiflichen Geschmacklosigkeit. Urteilen Sie selbst: »Zum Teufel!« sagte er, »das Weib ist so wahrhaftig nur ein Tier, daß ich wette, wenn ich Cucufas Ring gegen eine Stute kehre, so laß ich sie plaudern wie ein Frauenzimmer.«
»Das ist ohne Zweifel,« antwortete Mirzoza, »das stärkste Beweismittel, das man bisher gegen uns aufgeführt hat und aufführen wird.« Darauf lachte sie wie eine Närrin. Mangogul ward empfindlich, daß das Gelächter kein Ende nahm, und ging plötzlich hinaus mit dem Entschluß, den seltsamen Versuch anzustellen, der seiner Phantasie vorschwebte.
Ich bin kein großer Porträt-Maler. Die Schilderung der Favoritsultanin hab’ ich dem Leser erlassen, aber die Schilderung der Stute des Sultans kann ich ihm unmöglich schenken. Sie war von mittlerer Größe und trug sich sehr gut, nur fand man an ihr auszusetzen, daß sie den Kopf ein wenig vornübersenkte. Sie war blondhaarig, blauäugig, die Füße klein, die Beine mager, die Schenkel fest, die Kruppe leicht. Sie hatte lange tanzen gelernt und machte ihre Verbeugung wie ein Weihbischof. Kurz, es war ein ganz niedliches Tier, besonders sehr sanft, ließ gut aufsitzen, aber man mußte ein vortrefflicher Reiter sein, um nicht von ihr aus dem Sattel geworfen zu werden. Sie gehörte vordem dem Senator Aaron; aber an einem schönen Nachmittage nimmt der kleine Eigensinn den Zaum zwischen die Zähne, wirft Seine Wohlweisheit ab in die Luft, daß er alle viere von sich streckte, und jagt mit verhängtem Zügel in die Stuterei des Sultans. Sie trug auf ihrem Rücken Sattel, Zaum, Geschirr, Schabracke und Fliegennetz mit sich fort. Das war alles sehr kostbar und stand ihr so wohl, daß man nicht für gut fand, es zurückzuschicken.
Mangogul ging in seinen Marstall hinab. Sein Geheimschreiber Zikzak begleitete ihn. »Hören Sie aufmerksam zu,« sprach der Sultan, »schreiben Sie!« Sogleich drehte er seinen Ring gegen die Stute. Sie fing an zu springen, die Beine übereinanderzuwerfen, hinten auszuschlagen, sich im Kreise herumzudrehen und unter dem Schweif zu wiehern. »Worauf warten Sie?« sagte der Sultan zu seinem Geheimschreiber. »Schreiben Sie doch!« »Sultan,« antwortete Zikzak, »ich warte nur auf Ew. Hoheit …« »Meine Stute,« sagte Mangogul, »wird Ihnen diesmal statt meiner diktieren.« »Schreiben Sie!« Zikzak hielt sich durch diesen Befehl zu sehr herabgesetzt. Er wagte dem Sultan vorzustellen, er werde sich immer sehr geehrt finden, sein Geheimschreiber zu sein, aber nicht der seiner Stute. »Schreiben Sie, sag ich,« wiederholte der Sultan. »Ich kann nicht, gnädigster Herr,« antwortete Zikzak. »Ich kann nicht die Rechtschreibung dieser Art Worte.« »Schreiben Sie immer!« sagte der Sultan. »Ich möchte verzweifeln, daß ich Ihrer Hoheit nicht gehorchen kann,« erwiderte Zikzak, »aber …« »Sie sind ein Hundsfott,« unterbrach ihn der Sultan, voll Zorn über die übel angebrachte Weigerung. »Packen Sie sich fort aus meinem Palast und kommen Sie mir nie wieder herein.«
Der arme Zikzak verschwand und lernte durch Erfahrung, daß ein Mann, dem das Herz auf dem rechten Flecke sitzt, sich den meisten Großen nicht nahen darf, oder seine Grundsätze vor ihrer Tür zurücklassen muß. Man rief den zweiten Kanzelisten. Es war ein offenherziger, ehrlicher, besonders aber sehr uneigennütziger Provenzale. Er eilte, wohin er glaubte daß Pflicht und Glück ihn beriefen, beugte sich tief in den Staub vor dem Sultan, noch tiefer vor der Stute und schrieb alles nieder, was der Mähre einfiel, ihm in die Feder zu sagen.
Man
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