Die Gesellschaft des Abendsterns
besser«, sagte Vanessa. »Bleib wachsam. Morgen Früh werden wir unsere Planungen zum Abschluss bringen.«
Kendra wartete leise und lauschte auf jedes Geräusch von Vanessa und Errol, die jetzt in dem Stockwerk über ihnen waren. Sie hörte eine Toilettenspülung und dann das Geräusch von Wasser, das in ein Waschbecken floss. »Wir brauchen nur geduldig zu sein«, flüsterte Seth.
»Ja«, erwiderte Kendra. »Und darauf warten, dass sie sich hinlegen.«
»Denkst du, Errol ist Christopher Vogel?«, fragte Seth.
»Wenn sie das Register noch nicht gefunden haben, scheint das die einzige Erklärung zu sein«, erwiderte Kendra. »Es muss sein echter Name sein.«
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Seth plötzlich.
Noch bevor Kendra protestieren konnte, schlich Seth davon. Kurze Zeit später kehrte er mit Opas weißem Bademantel bekleidet zurück. Dann warf er ein Laken über die Rückenlehne des Sofas, und Kendra wickelte sich darin ein. »Die Sachen waren im Arbeitszimmer«, flüsterte er. »Die Pritsche ist immer noch zerwühlt. Niemand wird das Laken vermissen, selbst wenn er hinschaut. Bin gleich wieder da.«
Seth verließ abermals den Raum. Es dauerte einige Minuten, bis er zurückkehrte. Als er endlich wieder auftauchte, berichtete er: »Ich habe aus den Fenstern geschaut. Es sind zwei Kobolde auf der hinteren Veranda und ein großer, fetter vorn. Die Seiten des Hauses scheinen unbewacht zu sein. Wenn du durch das Fenster im Arbeitszimmer schlüpfst, kannst du dich vielleicht in den Wald stehlen.«
»Wir sollten warten und es zusammen versuchen«, wandte Kendra ein. »Niemand wird hinter dem Sofa nachsehen, bis du die Schlüssel gestohlen hast.«
»Was denkst du, wie lange wir warten sollten?«, fragte Seth.
»Länger als du vermutlich«, antwortete Kendra. »Nach der Uhr an der Wand haben wir zweiundzwanzig Uhr siebenundvierzig. Ich schlage vor, dass wir eine volle Stunde warten, bevor du nach oben gehst. Nur um auf der sicheren Seite zu sein.«
»Dann werde ich uns ein Sandwich machen.«
»Kommt nicht in Frage«, widersprach Kendra entschieden.
»Alles, was ich während der letzten zwei Tage gegessen habe, ist Kokonbrei«, protestierte Seth.
»Du hattest bei Warren einen Imbiss«, sagte sie.
»Richtig, einen Imbiss. Zu der Zeit hatte ich noch keinen Hunger. Jetzt habe ich das Gefühl, als würde mein Magen sich selbst verdauen.«
»Wenn sie dich hören, könnten wir alle sterben. In der Hütte gibt es reichlich zu essen. Ich sage, wir warten.«
»Was ist, wenn sie uns am Ende doch fangen?«, fragte Seth. »Dann kriegen wir nur noch diesen Brei! Hast du dieses Zeug gerochen?«
»Falls wir geschnappt werden, werden wir größere Probleme haben als die Frage, was es zu essen gibt.«
»Ich wette, ich könnte ein Sandwich zehn Mal leiser machen, als du flüsterst«, meinte er gereizt.
»Versuchst du, mich wütend zu machen?«
»Versuchst du, mich hungrig zu machen?«
»Schön«, sagte Kendra. »Geh und mach dir ein Sandwich. Wir haben eine ganze Stunde Zeit, und wenn du schon dabei bist, kannst du vielleicht ja auch noch einen Kuchen backen.«
»Ich habe eine viel bessere Idee. Ich mach uns was im Mixer. Mit viel Eis.«
»Überraschen würd’s mich nicht.«
»Schön. Weißt du was? Du hast gewonnen, Kendra. Ich werde hier sitzen bleiben und verhungern.«
»Gut. Aber verhungere leise.«
Die Zeit verging zäh. Seth verbrachte den größten Teil der Stunde damit, unsichtbar auf dem Sofa zu sitzen. Kendra versuchte, sich auszudenken, welchen Fluchtweg sie benutzen sollte, falls etwas schiefging. Endlich war die Stunde vorüber.
»Kann ich jetzt die Schlüssel holen gehen?«, fragte Seth.
»Gibt es einen besseren Plan?«, fragte Kendra zurück.
»Mein Plan besteht darin, ganz leise zu sein und die Schlüssel nach unten zu bringen«, antwortete Seth.
»Und danach sollte nur einer von uns in den Keller gehen, damit mindestens einer von uns entkommen kann«, erklärte Kendra. »Wir wollen nicht beide hier unten festsitzen.«
»In Ordnung. Was ist, wenn irgendjemand aufwacht und mich sieht?«, fragte Seth.
»Dann rennst du weg«, sagte Kendra. »Ich werde improvisieren. Nur weil sie dich sehen, werden sie nicht zwangsläufig wissen, dass ich im Haus bin. Vielleicht kann ich mich verstecken und die Situation doch noch retten, nachdem sich alles ein wenig beruhigt hat.«
»Oder vielleicht wird zur Abwechslung mal jemand anderer die Situation retten«, sagte Seth. »Außerdem, wenn sie mich
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