Die Gesellschaft des Abendsterns
auf die Suche nach ihm und Kendra schicken willst?«, fragte Errol.
»Noch nicht«, erwiderte Vanessa. »Sobald die Kobolde den Hof verlassen haben, können sie nicht mehr zurück. Wenn wir das Register finden könnten, würde das die Dinge erleichtern. Wir dürfen keine unnötigen Risiken eingehen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Ich will, dass die Kobolde Wache halten, bis wir entscheiden, wie wir mit dem Wiedergänger verfahren wollen. Kendra wird bestimmt zurückkehren, um zu versuchen, ihre Großeltern zu befreien. Wenn wir geduldig sind und sorgfältig Wache halten, wird sie uns direkt in die Arme laufen. Und wenn nicht, wird sie über kurz oder lang schlafen müssen.«
Kendra kämpfte gegen den Drang, aufzuspringen und Vanessa anzuschreien. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass es die Dinge nur schlimmer machen würde, wenn sie entdeckt
wurde, ganz gleich, wie gut es sich anfühlen mochte, ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Ganz zu schweigen von der peinlichen Tatsache, dass sie keine Kleider am Leib hatte.
»Bist du dir sicher, dass sie nicht zu Hugo gehen wird?«, fragte Errol.
»Ich habe Hugo in den entlegensten Winkel von Fabelheim geschickt und ihm die strenge Anweisung erteilt, mindestens zwei Wochen lang dort zu bleiben. Der Golem ist erst einmal weg von der Bildfläche.«
»Aber das Problem des Wiedergängers bleibt«, überlegte Errol laut.
»Wir kennen den Ort, wir haben den Schlüssel, wir müssen lediglich an dem untoten Wächter vorbeikommen«, rekapitulierte Vanessa.
»Zusammen mit allen Fallen, die den Turm selbst schützen«, fügte Errol hinzu.
»Natürlich«, pflichtete sie ihm bei. »Was einer der Gründe ist, warum ich Dale auf keinen Fall an den Wiedergänger verschwenden möchte. Ich würde ihn gern benutzen, um den Turm zu erkunden.«
Errol richtete sich auf. »Dann schick Stan oder Ruth.«
»Oder Kendra, wenn sie endlich einschläft«, sagte Vanessa. »Aber ich will niemanden dort hinschicken, bevor wir nicht wissen, wie wir den Nagel herausbekommen.«
»Kannst du dich nicht ein bisschen von der Situation lösen?« , fragte Errol. »Konzentrier dich einfach auf die tröstliche Tatsache, dass du dich nicht wirklich in dem Hain befindest, dass du nur jemand anderen als Marionette benutzt.«
»Du müsstest die Angst am eigenen Leib spüren, um das zu verstehen«, wandte Vanessa ein. »Sie ist absolut überwältigend und irrational. Sie hat mich beide Male vollkommen gelähmt. Sie lässt keinen Platz, um intellektuelle Distanz zu schaffen. Als ich von Tanu Besitz ergriffen hatte, wollte
ich lediglich einen Blick auf die Kreatur werfen und sofort wieder weglaufen, aber ich habe jedwede körperliche Kontrolle verloren. Das stellt ein beträchtliches Problem dar.«
»Vielleicht würde es uns guttun, eine Nacht darüber zu schlafen«, schlug Errol vor.
»Das ist wahrscheinlich die beste Idee, die du heute hattest«, erwiderte Vanessa.
Errol stand auf. Er brauchte lediglich zu bemerken, dass das Sofa ein Stück weiter von der Wand entfernt stand als gewöhnlich, dahinterzuschauen und Kendra vollkommen schutzlos dort liegen zu sehen. Er hob seine Schuhe auf. Keine anderthalb Meter entfernt stand reglos der unsichtbare Seth.
Kendra hörte, wie noch jemand den Raum betrat. »Immer noch keine Zeichen von Aktivität«, meldete eine schnarrende Stimme. Das musste einer der Kobolde sein.
»Halte die Augen auf, Grickst«, befahl Vanessa. »Es würde mich nicht wundern, wenn Kendra versucht, sich im Schutz der Dunkelheit ins Haus zu schleichen.«
Kendra konnte Grickst schnüffeln hören. »Ihr Gestank ist überall«, sagte er. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie sind hier in diesem Raum, das Mädchen und der Bruder.«
»Sie waren hier, tagelang«, erwiderte Errol. »Präg dir die Witterung ein. Halt deine Nase offen. Kendra wird mittlerweile ziemlich müde und verzweifelt sein.«
»Das wäre alles, Grickst«, sagte Vanessa. »Wir werden uns jetzt hinlegen. Sag Hulro und Zirt, dass sie Alarm schlagen sollen, sobald sie eine Spur von einem der beiden Kinder entdecken. Anderenfalls brauchst du vor Sonnenaufgang keine weitere Meldung zu machen.«
»Sehr wohl«, erwiderte Grickst. Kendra hörte ihn gehen. Vanessa und Errol entfernten sich ebenfalls.
»Es ist wirklich ein schönes Haus«, bemerkte Errol. »Es bereitet mir das größte Vergnügen, mich in Stans Bett zu lümmeln.«
Kendra konnte sie die Treppe hinaufgehen hören.
»Je kürzer unser Aufenthalt, desto
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