Die Gesichter der Zukunft
Jahr erlaubte er sich einen kurzen Urlaub. Diesmal begleiteten ihn weder seine Frau noch seine Tochter. Er war fünfzig, ein großer, hagerer, ergrauter Mann mit kalten Augen und schmalen Lippen.
Darum war es kaum erstaunlich, daß Kirth zu überlegen begann, wie er diese Entdeckung für seine eigenen Ziele ausbeuten könne. Er wußte, daß für die Auffindung des Raumschiffs, das man im Weltraum verschollen wähnte, keine Belohnung ausgesetzt war. Hätte es im Schiff Schätze irgendwelcher Art gegeben, so hätte er sie sich angeeignet. Aber es gab nichts bis auf die Samen und das Juwel, und diese Dinge hatte Kirth in seinem Rucksack, als er das Wrack verließ.
Wahrscheinlich würde das Schiff noch eine Zeit lang unentdeckt bleiben, denn diese Gegend war Wildnis. Um etwaigen späteren Befragungen vorzubeugen, hatte Kirth für alle Fälle Ardens Notizbuch eingesteckt, um es bei Gelegenheit zu verbrennen. Obwohl er skeptisch war, dachte er mehr als einmal an Ardens Vergleich des Juwels mit einem Ei, und für einen Farmer war die Schlußfolgerung unvermeidlich. Wenn dieses »Ei« ausgebrütet werden konnte, so unwahrscheinlich die Idee sein mochte, dann würde es möglicherweise ein interessantes Resultat geben. Mehr noch – es könnte sich als gewinnbringend erweisen.
Kirth beschloß, seinen Urlaub abzubrechen, und zwei Tage später war er zu Hause bei Frau und Tochter.
Wärme und Sonnenlicht. Ein oben offener, elektrisch beheizter Inkubator war die logische Antwort. Wenn die Sonne nicht schien, verwendete Kirth eine Höhensonne, mit der er das Juwel bestrahlte. Während er auf ein Ergebnis wartete, pflanzte er ungefähr die Hälfte der venusischen Samenkörner.
Langsam regte sich in dem seltsamen Juwel fremdes Leben.
Hitze erwärmte es, trockene Sonnenhitze, die es auf der düsteren, regengepeitschten Venus seit Jahrtausenden nicht mehr gab. In das Herz des Juwels drang Energie, die den Lebensprozeß in Bewegung setzte. Dort, im Stroh des primitiv zusammengebastelten Inkubators, lag der Besucher von einer anderen Welt. Vor Äonen war er erschaffen worden, für einen bestimmten Zweck. Und nun kehrte das Leben zurück.
Kirth sah das Ding ausschlüpfen. Um die Mittagszeit stand er neben dem Inkubator, nagte an einer zerkauten Pfeife und kratzte die grauen Stoppeln an seinem Kinn. Seine Tochter stand neben ihm, ein mageres, ungelenkes Mädchen von dreizehn, mit blasser Haut und farblosem Haar.
»Das ist kein Ei, Pa«, sagte sie mit hoher, näselnder Stimme. »Du glaubst doch nicht wirklich, daß aus diesem Ding was ausschlüpfen wird, wie?«
»Sei still«, grunzte Kirth. »Quäl mich nicht. Ich – he! Sieh dir das Ding an. Etwas ist da im Gange!«
Tatsächlich geschah etwas. Das Juwel lag hell und leuchtend im Stroh. Es schien das Sonnenlicht durstig in sich hineinzusaugen. Eine schwache Strahlung schien von ihm auszugehen; sie pulsierte und verschwand, erschien wieder, strahlte heller …
Plötzlich bildete sich eine undurchsichtige Wolke und verhüllte das Juwel. Es gab ein dünnes, hohes Klingen, beinahe über der Grenze der Hörbarkeit. Es verging.
Der graue Nebel verflüchtigte sich. Wo das Juwel gewesen war, war nichts. Das heißt, nichts bis auf einen runden, schmutziggrauen Ball, der sich bewegte und zitterte …
»Das ist kein Küken, Pa«, sagte das Mädchen. In ihren Augen war Angst.
»Still!« sagte Kirth. Er bückte sich und stieß das Ding vorsichtig mit dem Zeigefinger an. Es zuckte und entrollte sich mit einer seltsamen Bewegung, als ob es eine Sprungfeder in sich hätte.
»Verdammt will ich sein«, sagte Kirth langsam. »Eine elende kleine Eidechse!« Er war sehr enttäuscht. Das Juwel hätte er zu einem guten Preis verkaufen können, aber diese Kreatur? Wer würde eine Eidechse kaufen?
Doch bei genauerem Hinsehen zeigte sich, daß die winzige Echse, die mit offenem Mund heftig atmend dalag, seltsam genug war. Sie sah beinahe wie ein Miniatur-Känguruh aus, jedenfalls nicht wie eine gewöhnliche Eidechse. Vielleicht könnte er sie doch noch verkaufen.
»Hol ein Stück Fliegengaze«, sagte er zu seiner Tochter. »Wir wollen den Kasten lieber abdecken, damit das Biest nicht entwischen kann.«
Als er den Kasten gegen Abend ins Haus trug, blickte er zu dem Stück Land, wo er die Samen gepflanzt hatte. Ein paar gelbliche Spitzen hatten bereits die Ackerkrume durchbrochen. Kirth nickte befriedigt und kratzte sein Kinn.
Mrs. Kirth, eine formlos gewordene, schlampige Frau, kam aus dem
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