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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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unter den Füßen weggezogen.
    Carina räusperte sich. »Also gut. Ich schlage vor, Sie lassen mir das Haarbüschel hier. Von dem Foto mache ich eine Kopie, gebe beides morgen früh meinem Kollegen von der Pathologie und erkundige mich für Sie nach einer DNA -Analyse, einverstanden?«
    Luise Salbeck nickte heftig, schrieb ihre Telefonnummer auf und verabschiedete sich endlich, nachdem Carina in Frau Schauers Büro das Foto kopiert hatte.
    »Obduktionsakten von … « Carina rechnete schnell. »Von 1996 bis 97. Wo finde ich die?«, fragte sie die Sekretärin.
    »Sie nehmen es aber sehr genau an Ihrem ersten Tag. Ich wollte gerade gehen.« Frau Schauer ließ den Computer herunterfahren und erhob sich.
    »Wie hat es Frau Salbeck eigentlich an Ihnen vorbeigeschafft?«
    Die Sekretärin zeigte auf die Aktenwand im Nebenzimmer. »Sie sagte, sie hätte nur was abzugeben und wäre schon mal hier gewesen. Glauben Sie mir, Frau Dr. Kyreleis … « Sie verschränkte die Arme. »Ich arbeite nicht erst seit heute hier, ich kenne … «
    Carina schnitt ihr das Wort ab. »Behaupten Sie jetzt nicht, dass sie es jemandem an der Nasenspitze ansehen, wenn er Beweismittel vernichten will.«
    Frau Schauer kniff die Augen zusammen und musterte sie, dann ließ sie sie ohne Abschiedsgruß stehen. Beste Freundinnen würden sie wahrscheinlich nicht werden.
    Die Akten waren nach Jahrgängen und alphabetisch sortiert. Bei »Sal« für Salbeck lag nur ein Zettel: »Akte entliehen, Dezernat 11«, darunter ein Datum von vor einem Monat. Warum interessierte sich die Münchner Mordkommission unter der Leitung ihres Vaters ausgerechnet für diesen Fall?

12.
    München, 30 . November 1989
    Rosa erwachte und konnte sich nicht spüren, hatte das Gefühl zu schweben. Dann zog ein gleichmäßiges Blinken sie in ihren Körper zurück. Ihr Puls, sie lebte noch. Ein Schlauch führte von ihr zu einer Apparatur neben ihrem Bett. Langsam kam die Erinnerung. Sie tastete nach ihrem dicken Bauch, riss dabei an der Nadel in ihrem Arm und erschrak. Jemand hatte sie aufgeschnitten und das Kind gestohlen, nur ein leeres Nest zurückgelassen. Schmerz überschwemmte sie und tobte durch ihre Eingeweide. Hatten sie ein Messer in ihrem Bauch vergessen? Stimmen, ein Lachen. Sie erkannte ein Fenster mit hellgelben Vorhängen, Bilder an den Wänden und Leute am Nachbarbett, roch Blumen – und auf einmal wieder das Blut. Ihre Schwester Lou hatte sie zu Hause gefunden, das ganze Laken rot. Die Plazenta hatte sich vorzeitig gelöst. Im Notarztwagen war sie zu einem Kaiserschnitt ins Krankenhaus gefahren.
    Sie brauchte ein Schmerzmittel, wollte nach der Krankenschwester klingeln, fand stattdessen die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Beim Anblick der vertrauten Bilder, die seit drei Wochen in einer Endlosschleife liefen, entspannte sie sich etwas. Szenen vom Mauerfall. Die DDR war Vergangenheit. Nun gab es keine Ausrede mehr, Felix konnte für immer zu ihr kommen.
    Seit Beginn ihrer Schwangerschaft hatten sie sich nicht mehr gesehen. Er rief nicht an, er schrieb nicht wie sonst belanglose Postkarten, Treffpunkt und Uhrzeit versteckt unter der Briefmarke. Monat für Monat wartete sie. Ihr Bauch wuchs, und etwas trat von innen, strampelte. Aber dass da wirklich ein Kind heranwuchs, konnte sie nicht glauben. Durch alle Phasen der Wut und des Hasses war sie gegangen. Warum war Felix nicht bei ihr, wenn sie sich die Seele aus dem Leib kotzte? Warum waren sie kein richtiges Paar? Warum liebte sie ihn? Ja, das fragte sie sich am allermeisten. Er verdiente ihre Liebe nicht. Doch sie wusste genau, wenn er in diesem Moment durch die Tür käme, hätte sie alles vergessen. Sie hatte ihn gesucht, gehofft, ihm zufällig zu begegnen, und den Portier im Hotel bestochen. Sogar bei Lehmann’s manche Abende verbracht, ihrem Kennenlernlokal. Trotz Rauch und Pöbelei der betrunkenen Kerle dort.
    Wenigstens Lou hatte sich gefreut, als sie von der Schwangerschaft erfuhr. Sie würden eine richtige Familie sein, hatte sie verkündet. Und Rosa, der in den ersten Wochen nur zum Heulen zumute war, kündigte ihre kleine Wohnung und zog in das alte Zimmer unterm Dach des Restaurants zurück. Während des Mutterschutzes half sie in der Küche und im Service und verbrachte die letzten Tage auf Anraten des Arztes auf dem Sofa. Sie zappte durch die Fernsehprogramme, hoffte Felix inmitten der Menge zu entdecken. Vielleicht stand er oben auf der Mauer und jubelte? Oder saß in einem der Trabis, in

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