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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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neuen Heim etwas Feierliches verlieh. Sie schüttelte den Kopf und grinste. »Ist schon alles da. Nimm Platz.« Sie lud ihn auf die bunt bestickte Decke ein. »Wie wäre es mit einem griechischen Picknick auf mexikanisch?«
    Er ließ sich im Schneidersitz nieder. Mit den Fingern fischten sie das Essen aus den Plastikschachteln, kleckerten und lachten. Es schmeckte besser als allein, und gleich würde auch er nach Knoblauch stinken, so dass es keinen mehr störte.
    »Ein Selbstporträt?« Clemens verglich den kleinen Brotkopf von der Sockelkante mit ihr. Seine Blicke brannten auf ihrer Haut. Sie trank schnell einen Schluck, um ihr Gesicht zu kühlen.
    »Machst du öfter Skulpturen?«
    »Eigentlich wollte ich nach dem Abitur auf die Kunstakademie, wurde aber nicht genommen«, erzählte sie.
    »Und warum nicht?« Er tunkte die restliche Soße aus einer Schachtel. Öl lief ihm übers Kinn.
    Carina hatte Lust, es ihm abzulecken. »Meine Bewerbungsmappe war ihnen nicht künstlerisch genug.« Nicht mal Lars hatte sie von ihrer Enttäuschung damals erzählt, für ihn war ihre Malerei sowieso nur ein Zeitvertreib gewesen.
    »Aber du hast nicht aufgegeben, oder?« Clemens schien ehrlich interessiert.
    »Erst war ich stur. Jetzt erst recht, hab ich gedacht und hab mir fest vorgenommen, trotz Medizinstudium weiterzumachen. Nach meinem praktischen Jahr in Düsseldorf wollte ich es nochmal auf der Akademie versuchen. Aber … « Sie stockte, stand auf und wusch sich die Hände an der Spüle.
    »Was aber … ?«, fragte er, stellte sich dicht neben sie und hielt seine Hände mit unters Wasser. Ihre Finger berührten sich.
    Hastig suchte Carina nach einem Handtuch und roch hinter Clemens’ Rücken daran. Leicht muffig, aber zumutbar. »Außer sinnlosem Gekritzel an den Rändern der rechtsmedizinischen Bücher und den üblichen anatomischen Studien habe ich nichts mehr zustande gebracht. Wenn ich den Bleistift aufs Papier setzte, hallten ständig die Worte des Professors durch meinen Kopf: nicht eigenständig genug, Durchschnitt. Erst in Mexiko, als ich die Olmekenköpfe sah, hab ich gemerkt, dass ich nur das Format und die Technik ändern muss. Magst du mal sehen?« Sie reichte ihm ihr Skizzenbuch. Er betrachtete ihre Zeichnungen, fragte nach, und sie erzählte, wie sie schon als Studentin Sehnsucht bekommen hatte, wenn sie nur jemanden das th-lose Spanisch reden hörte. Und sie erzählte von ihrem Traum, auf Frida Kahlos Spuren zu wandeln. Doch der Alltag gehörte dann hauptsächlich dem Obduzieren von Drogentoten. Clemens hörte zu und strich ihr über den Arm, als sie ihn aus Versehen beim Erzählen berührte. Das holte sie in die Gegenwart zurück und brachte sie zum Verstummen. Nein, sie wollte keine neue Affäre, keine Beziehung oder was auch immer. »Also, der Hund.« Sie straffte sich und rückte ein Stück von ihm ab.
    »Welcher Hund?«, fragte er, während er noch einmal im Skizzenbuch blätterte; hinten stieß er auf das eingeklebte Lindenblatt.
    »Das Experiment morgen.« Hastig schlug sie das Buch zu und nahm es ihm aus der Hand. »Glaubst du, ein Hund hat die Kraft, einem Menschen das Gesicht abzuziehen?«
    »Der Jagdhund von der Frau, die du gerettet hast? Lenin, oder wie hieß der gleich?«
    »Gandhi.«
    »Ach ja, wie der friedliche Revolutionär. Das schafft er wohl nur, wenn er die Haut mit den Fangzähnen zu packen kriegt, aber dazu müsste er vorher eine Wunde reißen.«
    »Hast du eine Idee, wie wir das testen könnten, ohne den Hund zu töten?« Die Erlaubnis ihrer Chefin fehlte noch, aber egal. Davon wusste Clemens ja nichts.
    Er überlegte. »Betäuben und dann einen Gebissabdruck machen wie für die Herstellung einer Zahnspange.«
    »Kennst du jemanden, der uns da helfen könnte?«
    »Meine Tante ist Zahnärztin, eigentlich sollte ich ihre Praxis übernehmen. Aber ich wollte lieber was mit Tieren machen, anstatt anderen im Mund rumzustochern. Trotzdem, mit Gebisslöffeln kenne ich mich aus. Für einen Hund dürfte es jedenfalls reichen.«
    Im Dunkeln schien es ihr so, als wäre er näher herangerutscht. Schnell sprang sie auf und drückte auf den Lichtschalter. Clemens blinzelte sie an und rieb sich die Schläfen. »Hast du vielleicht ein Aspirin für mich?«
    »Leider nein, aber vielleicht hilft ja ein bisschen Nachtluft.«
    »Du schmeißt mich raus?«
    Sie lachte. »Wollen wir einen Spaziergang machen, oder gruselt es dich nachts auf dem Friedhof?«

20.
    An der Isar bei Schäftlarn, 1996
    Der erste freie

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