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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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und Besteck hätte sie kaufen sollen. Sie stellte das Essen auf den Fußboden und breitete die bunte mexikanische Decke mitten im Zimmer aus. Als sie sich gerade das erste Stück duftendes Fladenbrot abriss, klingelte ihr Handy.
    Es war Wanda. »Stell dir vor, ich habe morgen ein Ca…«
    »Ein was?«, fragte Carina. Ihre Schwester war kaum zu verstehen, im Hintergrund dröhnte der Fernseher oder irgendein Videospiel.
    »Sandro, stell doch mal leiser«, brüllte sie. Es knackte im Hörer, anscheinend hatte sie ihn weggelegt. Carina knetete das Fladenbrot zwischen den Fingern. Anstelle des Lärms heulte jetzt Sandro.
    »So.« Eine Tür knallte, Sandros Weinen war nur noch gedämpft zu hören. Wanda war zurück am Telefon. »Seit zwei Monaten soll er schon sein Zimmer aufräumen, gute Gelegenheit. Also«, setzte sie neu an. »Ich habe ein Casting als Synchronsprecherin und nichts anzuziehen. Kannst du mich beraten?«
    »Ich?« Auch wenn man eine Sprecherin normalerweise nicht sah und folglich auch nicht das, was sie trug, berührte es Carina doch, dass ihre Schwester Wert auf ihre Meinung legte.
    »Ach, es ist ja alles so aufregend. Ich muss die ganze Nacht üben, aber ansehen darf man es mir natürlich nicht, und meiner Stimme auch nicht anhören, die muss ich eigentlich schonen. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll.«
    Carina knetete das Fladenbrot zu einer Kugel. »Wir können uns ja morgen Mittag treffen, und du sagst mir deinen Text auf?«, schlug sie vor.
    »Gerne. Im Schädelstudio wie früher?« Carina war einverstanden, und Wanda setzte ihren Redeschwall fort. »Mama ist so komisch, weißt du, was sie hat? Sie spricht nicht darüber, ist nur total genervt von Sandro. Dabei war ich heute seit Jahren das erste Mal wieder beim Shoppen. Hat sie gerade schwierige Geburten, oder was?«
    Carina überlegte, auf was Wanda hinauswollte. »Soll ich Sandro morgen Nachmittag vom Kindergarten abholen?«, schlug sie vor. »Und dann mit zu mir nehmen?«
    »Das wär echt nett, danke. Du, ich habe keine Zeit mehr, muss noch mit Salbei gurgeln, und die Gesichtsmaske brökelt ab.« Sie legte auf.
    In Carinas Hand lag ein kleiner Kopf aus Fladenbrotteig. Sie drückte mit den Fingernägeln Gesichtszüge hinein. Jemand hustete. Sie lauschte, stellte den Kopf auf den Fußbodensockel an die Wand. Im Dachgeschoss gab es weder Balkon noch Nachbarn, wer konnte das sein? Der Kaminkehrer vielleicht, aber um diese Uhrzeit? Wieder ein Husten. Sie ging zur Tür. Der Vormieter musste ein Spaßvogel oder Hals-Nasen-Ohrenarzt gewesen sein, denn er hatte als Türklingelton Husten installiert. Außer Frau Schauer, der Institutssekretärin, und Wanda kannte noch niemand ihre neue Adresse. Sie drückte auf die Sprechanlage.
    »Wie wäre es mit einem Abendessen, und du erzählst mir mehr über dein Experiment?« Clemens. Wenigstens wollte er ihr nicht weismachen, er sei gerade zufällig in der Gegend gewesen. Sie freute sich, seine Stimme zu hören, und drückte auf den Türöffner.
    »Woher hast du gewusst, wo ich wohne?«, fragte sie, als er betont lässig, sein Keuchen überspielend, die Treppe hochtrabte.
    »Matte Kyreleis’ Tochter, das war nicht schwer rauszufinden.«
    Klar, ihr Vater. Also hatte er doch ihre Adresse in Erfahrung gebracht. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn nicht. Aber dass er sie dann ohne ihre Zustimmung einfach weitergab?
    »Am Pariser Platz ist ein neuer Mexikaner, hast du Lust?« War es Zufall, oder hatte ihr Vater auch über ihre Rückkehr aus Mexiko geplaudert? Egal, heute war sie zu müde für Grübeleien. Clemens’ Rasierwasser stieg ihr in die Nase, vermischt mit seinem Eigengeruch, und sie musste den Wunsch unterdrücken, ihn wie eine interessierte Löwin abzuschnüffeln.
    »Ich hab eingekauft, wenn du mitessen magst, gerne.« Sie bat ihn herein. Wenigstens ist aufgeräumt, dachte sie angesichts ihrer leeren Wohnung.
    Die Dielen knarrten unter seinen Schritten.
    Er bestaunte die Aussicht über die Haidhausener Dächer bis zum Gasteig. Carina betrachtete ihn von der Seite und prägte sich sein Profil ein. Große Nase, markantes Kinn, erste Falten um die Augen und auf der Stirn. Was hatte er bisher wohl alles erlebt?
    »Hey, das ist ja toll hier mit diesem Kuppeldach. Ziehst du gerade ein oder aus?«
    »Wieso, suchst du eine Wohnung?« Entweder betrieb er Smalltalk, oder er wusste doch nichts von Mexiko.
    »Hast du deine Möbel irgendwo untergestellt?«
    Es hallte, wenn sie sprachen, was ihrem

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