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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Fensternische und ließ sich im Bad Wasser in die Wanne.
    Lars folgte ihr bei jedem Schritt.
    »Es tut mir so leid, bitte glaub mir.« Der Tag der Entschuldigungen, erst ihr Vater, jetzt ihr Ex. »Ich stand total unter Schock, weil ich dachte, du bist tot und ich bin schuld.«
    »Sehr tröstlich, wirklich.«
    Lars schwieg eine Weile, bevor er einen neuen Anlauf nahm. »Eine schöne Wohnung, wie hast du die nur gefunden? Kann ich dir vielleicht helfen, die Möbel hochzuschleppen?« Er versuchte wirklich alles.
    Sie goss sich heißes Boilerwasser auf einen Teebeutel in ihrem Trinkglas. »Noch zwei Minuten, dann ist die Wanne voll und du bist draußen. Also?«
    Er nahm sich auch einen Teebeutel, sah sich nach einem zweiten Glas um, fand keines, spülte sich eine Plastikschachtel aus. Carina nahm sie ihm fort, füllte sie mit kaltem Wasser und stellte sie Gandhi hin. Der Hund trank, und Lars warf den Teebeutel in die Spüle. Dann stützte er sich mit einem Arm an der Wand ab. »Kennst du Amelie noch? Hab ich dir von ihr erzählt?«
    Carina tauchte ihren Teebeutel im Glas auf und ab. »Noch eine Minute. Sechzig, neunundfünfzig, achtundfünfzig … «
    »Na ja, jedenfalls hab ich bei ihr gewohnt, seit ich wieder in Deutschland bin, und jetzt wollte ich mir München anschauen. Zeigst du mir deine Stadt?«
    »Amelie, oder wie sie heißt, hat dich rausgeschmissen, stimmt’s?« Carina marschierte zur Haustür und öffnete sie. »Dann weißt du ja, wie das läuft.«
    »Nur für ein paar Tage, bitte«, flehte er. »Bis ich was Neues gefunden habe.«
    Doch sie erbarmte sich nicht.

47.
    In einer Pause am Hintereingang bot Gaby Rosa eine Zigarette an.
    Sie lehnte ab.
    »Ich dachte, du rauchst auch.«
    »Ich hab bloß in einem Raucherzimmer übernachtet«, erklärte Rosa, bezweifelte allerdings, dass Gaby den Geruch wahrnahm. Rosas Kleidung stank nach allem Möglichen, und diese Miststiefel hatte sie auch wieder an den Füßen.
    »Er hat dich geschlagen, oder?« Gaby sog an ihrem Glimmstängel und blickte ab und zu in den Spiegel, durch den sie den Laden im Auge behielt. »Deine blauen Flecke, an der Hüfte und am Ellbogen, ich hab sie gesehen.«
    Rosa setzte sich auf einen Lieferrolli und knabberte an einem Schokoriegel. Nun war ihre einstudierte Geschichte dran, sie murmelte etwas von Scheidung und Schulden.
    »Männer.« Gaby stieß den Rauch Richtung Boden aus. »Hat man einen, jammert man, hat man keinen, auch. Wie ist es mit Kindern?«
    Rosa hörte zu kauen auf, sie musste ihren Sohn verleugnen, zu ihrer aller Sicherheit.
    Gaby gab sich selbst die Antwort. »Blöde Frage, entschuldige. Die hättest du bestimmt nicht im Stich gelassen.« Sie seufzte. »Ach, ich kann dich gut verstehen. Manchmal würde ich auch gerne alles hinschmeißen, aber meiner schlägt mich wenigstens nicht.« Sie trat die Zigarette aus. »Warum nicht hier in Deggendorf neu anfangen, ist zwar nicht die Südsee, aber genauso gut wie jedes andere Kaff.« Mehrere Leute mit Rucksäcken drängten auf einmal in den Laden. »Mein Schwager hat eine Mansardenwohnung, ein Zimmer, Kochnische, Bad. Wäre das nicht was für dich? Allerdings ohne eigenen Eingang, deshalb hat er es bisher auch noch nicht vermietet.«
    Sie bat Gaby, eine Viertelstunde früher gehen zu dürfen, um sich neue Klamotten zu kaufen. Endlich andere Schuhe, eine Wohltat. Auf dem Weg in die Pension kam sie wieder an der Telefonzelle vorbei. Gestern hatte sie sich gezwungen, daran vorbeizugehen, heute wählte sie die Nummer der Auskunft, dann die des Krankenhauses.
    Jemand hob ab, sagte keinen Namen, atmete nur in kurzen Stößen, fiebrig.
    »Dimitri, du sollst noch nicht aufstehen«, hörte sie ihre Schwester sagen. »Gib mir den Hörer. Wer ist denn dran? Bist du’s, Rosa?«

Sechster Tag
    Das Innere eines Gesichts, mit geschlossenen Augen,
    sonst nichts.
    Aus Michael Ende: Der Spiegel im Spiegel

48.
    Küssen mit den Lippen einer Toten
    München – Eva B., deren Gesicht durch einen bisher unbekannten Täter grausam entstellt wurde (wir berichteten), hofft bald wieder lachen, sprechen und essen zu können. Sie wartet auf ein Spendergesicht, aus dessen Mundpartie ihre neuen Lippen entnommen werden.
    In Frankreich (2006) und Spanien (2010) gelang bereits eine vollständige Gesichtstransplantation. Nun wagt sich erstmals ein Münchner Ärzteteam, unter Leitung von Prof. Dreifuss, an eine Transplantation des Mundes. »Essen und trinken dürfte bald wieder möglich sein, aber bis Eva B. wieder

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