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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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einem Einsatz angeschossen worden.«

59.
    Außen hell gestrichen, war der Glaspalast innen ganz aus dunklem Holz bis zur Galerie hoch, auf der schwarze Sessel an niedrigen Tischen standen. Geschwungene Glaslampen tauchten das Restaurant in warmes Licht. An einer Wand hing ein großer Flachbildschirm. Allerdings zeigte er kein Fernsehbild, sondern ein Kaminfeuer. Carina versank in einem Korbstuhl. Luise Salbeck versprach, gleich bei ihr zu sein, überprüfte das Gästebuch und begutachtete die Tischdekorationen, die eine Mitarbeiterin zusammenstellte. Den Kellner wies sie an, ihr einen Espresso und etwas für den Hund zu bringen. Auf einem Silbertablett bekam Gandhi einen Knochen mit Fleischresten serviert und verkroch sich brav unter dem Tisch. Carina bestellte einen Kakao.
    »Was hat mein Vater damals zu Ihnen gesagt?«, fragte Carina, als Frau Salbeck sich zu ihr setzte.
    »Er riet mir zu einer Feuerbestattung. Normalerweise macht das das Beerdigungsinstitut, aber er ist extra gekommen und hat sich bereiterklärt, alle Fragen zu beantworten.«
    Typisch Mattes Vernehmungskunst, dachte Carina, er gab vor, Fragen zu beantworten, aber eigentlich wollte er etwas über Krallinger und die genauen Umstände erfahren.
    »Nach einem halben Jahr in der Isar wäre nicht mehr viel von meiner Schwester übrig, sagte er.« Luise schüttelte den Kopf. »Aber ein Urnengrab wäre das Letzte gewesen, was Rosa gewollt hätte. Sie hatte schon als Kind Angst vorm Feuer. Unsere Mutter erzählte uns immer wieder von dem Flugzeugunglück in der Nähe der Theresienwiese. Wissen Sie davon?« Sie hielt inne. »Entschuldigen Sie, ich plappere einfach los, dabei sollen Sie doch erzählen.«
    »Ist schon in Ordnung, das lenkt mich ab.« Carina wusste sowieso nicht, wo sie beginnen sollte.
    Luise Salbeck holte Luft. »1960 war das, dafür sind Sie noch zu jung. Unsere Mutter ist der Tragödie nur um ein Haar entkommen. Wenn nicht – dann hätte es meine Schwester und mich gar nicht gegeben. Meine Geburt stand kurz bevor, als sie nach einem Arztbesuch in die Tram auf der Schwanthalerstraße einsteigen wollte. Vor der Landsberger Straße an der Hackerbrücke geht es bergab, und man kann fast über ganz München schauen. Meine Mutter hat sich noch gewundert, weil ein riesiges Flugzeug so tief flog, dass man meinen konnte, es würde die Paulskirche streifen. Sie dachte noch: Was ist das für eine Erscheinung – da brach die Turmspitze ab, das Flugzeug schwankte, senkte sich auf die Häuserzeile, stürzte dann auf die Straßenbahn und beschädigte mit den Tragflächen ein Haus. Zweiundfünfzig Menschen kamen damals ums Leben. Es war, als wäre der Krieg wieder ausgebrochen, verstümmelte Menschen irrten in den brennenden Trümmern herum. Rosa und mich hat ihre Erzählung später so erschreckt, dass wir immer einen Koffer unterm Bett hatten, für den Notfall, falls es bei uns mal brennen sollte. Wir malten uns aus, gemeinsam Hand in Hand auf ein Sprungtuch zu springen.«
    Ganz lebendig sah Carina die beiden Mädchen vor sich, wie sie sich ihrer Angst entgegenstellten. Ihr fiel etwas ein. »Hatte Rosa Zahnprobleme?«
    »Ich war diejenige, die immer fleißig nach jedem Essen putzte, aber im Gegensatz zu mir hatte Rosa nie Karies. Dabei hielt sie vom Zähneputzen gar nichts.« Luise Salbeck schmunzelte. »Sie schrubbte einfach die Waschbeckenkante, wenn Mutter an der Tür lauschte. Warum fragen Sie?« Sie leerte ihren Espresso und schob die Tasse zur Seite.
    Carina hatte ihren Kakao noch nicht angerührt. »Ach, nichts.« Es stimmte also, die Röntgenbilder waren von Rosas erstaunlich perfekten Zähnen. Dann waren die beiden Bilder, wie sie vermutet hatte, tatsächlich in der Zahnarztpraxis vertauscht worden. »Warum sind Sie sich eigentlich so sicher, dass es Ihre Schwester war, die Sie auf dem Königsplatz gesehen haben?«
    »Sie war es einfach, ihr Gang, ihre Haltung, ihr Profil. All die Jahre habe ich gespürt, dass Rosa noch lebt, und habe gleichzeitig versucht, mir das Gefühl auszureden. Am Ende wäre es mir auch fast geglückt. Natürlich wollte mir jeder weismachen, dass das eine Form der Trauerverarbeitung wäre, weil ich nicht richtig Abschied nehmen konnte. Mein Unterbewusstsein hätte ihren Tod nicht akzeptiert. Und ich muss zugeben, oft habe ich Rosa sogar in Menschen gesehen, die ihr gar nicht ähnelten. Gäste, hier im Restaurant. Eine Frau stützte den Arm genauso auf oder lachte so wie sie.« Luise Salbeck schüttelte den Kopf. »In

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