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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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Wasser. Sie rief sich ihre Sicht von oben in Erinnerung, als sie die in Folie verpackte Tote unter der Plane aus der Elsterperspektive begutachtet hatte. Dieser kleine Junge, der die Leiche ausgebuddelt hatte, hatte es ganz richtig erkannt. Marie war in einem trockenen, gut belüfteten Sandgrab bestattet worden, die ideale Bedingung, um zu mumifizieren. Wie eine ägyptische Königin. Gandhi setzte einen Haufen in den neuen Sand. Aus dem Spender zog Carina eine Tüte, klaubte die Kacke auf, verknotete das Plastik, entsorgte es in einem Abfalleimer und zerrte den Hund vom Spielplatzgelände.
    Ein Motorroller kam durch den Garten gerast. Schnell zog Carina Gandhi an der Leine zurück. Der Fahrer hielt seine Vespa vor ihr an und zog den Helm ab. Eine Frau mit silbergrauem Haarschopf begrüßte sie. »Habe ich Sie erschreckt? Normalerweise fahre ich hier nicht durch. Aber heute pressiert es«, rechtfertigte sich Luise Salbeck und schaltete den Motor ab. »Wollen Sie zu mir?«
    »Äh, nein.« Carina war verwirrt. Wie hätte sie wissen sollen, dass Frau Salbeck hier durchbrauste? »Ich bin nur mit dem Hund hier.«
    Sie schien Gandhi erst jetzt zu bemerken. »Welche Rasse ist das? Der sieht aus wie der von den kleinen Strolchen, kennen Sie die Serie?« Wenigstens tätschelte sie ihn nicht gleich.
    »Der ist nur ausgeliehen, ich bin Hundesitterin sozusagen.«
    Luise Salbeck nickte. »Wie gesagt, ich bin etwas in Eile, aber darf ich Sie zu einem Getränk einladen?«
    Carina verstand nicht.
    »In meinem Restaurant dort, im Glaspalast , meine Angestellten erwarten mich.« Sie schob die Vespa den Weg entlang.
    Carina zögerte. Wie sollte sie ihr beibringen, dass ihre Schwester die Isartote war? Vielleicht lebte Rosa Salbeck nicht mehr, als sie ins Wasser geworfen wurde, vielleicht war sie durch einen Schuss verletzt worden und dann ertrunken. Dass Rosa spioniert hatte, würde Luise Salbecks Schmerz auch nicht lindern. Es warf eher neue Fragen auf. Wer konnte sagen, ob Luise Salbeck das überhaupt wissen wollte. Wenn ihr jemand erklärte, Wanda sei eine DDR -Spionin gewesen, dazu von einem Stasimitarbeiter verführt worden – würde sie das glauben? Durfte Carina überhaupt etwas von den Ermittlungen preisgeben? Sie pfuschte damit dem Bundeskriminalamt erneut ins Handwerk und riskierte ihre Stelle in der Rechtsmedizin; ihre Chefin hatte sie deutlich ermahnt. Wie sollte Carina nur das Chaos in ihrem Inneren ordnen. Sie stöhnte auf.
    »Na, Sie scheinen mir aber auch Sorgen zu haben.« Luise Salbeck ergriff Carinas Arm. »Kommen Sie mit und erzählen Sie, das hilft.«
    Sollte sie einer Fremden all das berichten, was sie, seit sie wieder in Deutschland war, erlebt hatte? In den letzten Tagen war sie neben Maries Rekonstruktion fast nur mit dem Fall Rosa Salbeck beschäftigt gewesen. Carina und Luise waren fremde Vertraute füreinander geworden. Sie straffte sich und löste sich aus Luise Salbecks Griff. »Danke, es geht schon.« Es war einfach zu früh, um darüber zu sprechen. Sie beschloss, in den nächsten Tagen einen Bericht zu schreiben, alle Fakten zu sammeln und dann noch einmal vorbeizukommen. »Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte … «
    »… an Ihren Arzt oder Apotheker«, ergänzte Luise Salbeck. »Hören Sie auf. Polizei, Bundeskriminalamt, die stecken doch alle unter einer Decke und haben den ganzen Zirkus inszeniert: Leichenschau, Befragung … Eine Zumutung war das.«
    Carina hatte es satt, in den Tragödien anderer herumzustochern, sie sehnte sich nach einem Schalter, mit dem sie sich in ein gefühlloses Nichts knipsen konnte. Ohne Umschweife sagte sie: »Sie müssen sich getäuscht haben, Ihre Schwester ist tot.« Sie wollte sich abwenden.
    Luise Salbeck hielt sie zurück. »Halt, halt, so schnell kommen Sie mir jetzt nicht davon. Nur zehn Minuten, und der Hund kriegt auch was, Sie wollen ihn doch nicht ganz abgemagert zurückgeben, oder? Außerdem haben Sie es mir versprochen. Ich habe mich nicht getäuscht. Meine Schwester lebt.«
    Carina zuckte mit den Achseln und wollte gehen.
    »Was sagt denn Ihr Vater dazu?«, fragte Luise Salbeck.
    »Mein Vater?«
    »Er war damals einer der Polizisten. Kyreleis, den Namen habe ich mir gemerkt. Deshalb wollte ich ja auch zu Ihnen in die Rechtsmedizin.« Sie zögerte. »Was ist denn, Sie weinen ja.«
    Tränen nahmen Carina die Sicht. Luise Salbeck stellte den Roller ab und hielt sie. Sie heulte in den Armen einer fremden Frau. »Er ist … «, sie schniefte, »bei

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