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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amma Darko
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Straßenmädchen?»
    «Nein. Eine von den Streetworkern. Du weißt schon…»
    «Ich verstehe.»
    «Sehr traurig, das Ganze. Das kann ich Ihnen sagen. Ich habe sie gesehen. Unglaublich. Ihr Gesicht war übel zugerichtet… und ihr Kopf völlig kahlrasiert. Überall haben sie ihr die Haare abrasiert. Ach, Madam, ich sage Ihnen, wer das getan hat, das ist kein Mensch mehr. Der hat keine Seele. Am Tag danach wurden frisches Blut und ein paar weiße Federn dort gefunden. Offensichtlich war heimlich in der Nacht darauf ein weißes Huhn geschlachtet worden. Wenn Sie mich fragen – um die Seele des Mädchens zu beruhigen. Na ja, wie ich schon sagte, gehen Sie besser nicht dort vorbei.»
    «Mach ich. Vielen Dank.» Kabria lud die Auberginen ab und nahm den längeren Weg zu ihrer Tomatenverkäuferin, die bestätigte, daß Tomaten heute Mangelware waren. Sie fügte noch hinzu: «Ich habe nur ein paar zurückgelegt, Madam. Sie waren zu teuer. Wenn ich nicht meine treuen Montagskundinnen erwartet hätte, so wie Sie, Madam, hätte ich dem Großhändler heute wahrscheinlich gar keine abgenommen. Kaufen Sie also, wenn Sie möchten, nur eine kleine Menge, und kommen Sie am Mittwoch wieder.»
    Kabria tat, wie ihr empfohlen worden war, und nahm denselben langen Weg zurück, auf dem sie gekommen war. Aber wo vor ein paar Minuten die Leute noch ungehindert hin und her gelaufen waren, blockierte jetzt ein Meer von Zuschauern die Straße. Sie amüsierten sich bei einem Gratisboxkampf zwischen zwei sehr muskulösen, schwergewichtigen Trägern, die versuchten, unter Zuhilfenahme ihrer Fäuste eine Meinungsverschiedenheit zu klären. Kabria machte in einiger Entfernung vor dem improvisierten Boxring halt. Eine Frau, die offensichtlich beschlossen hatte umzukehren, spuckte verärgert aus, als sie sich an Kabria vorbeiquetschte. «Viel Muskeln, wenig Hirn. Werden wir als normale Menschen jemals die von der Straße verstehen?»
    «Normale Menschen? Menschen von der Straße?» grübelte Kabria, Sie konnte es gar nicht abwarten, im Büro mit den anderen darüber zu diskutieren. Waren die Leute von der Straße etwa nicht normal? Auch sie machte kehrt, um nun doch die Abkürzung zu nehmen. Schon rief einer der «Boxkampf»-Zuschauer nach der Polizei, weil beide Muskelmänner inzwischen Messer gezogen hatten. Als Kabria zum Ort der Tragödie der vergangenen Woche kam, war dort immer noch eine Handvoll Leute damit beschäftigt, ihre Neugier zu befriedigen.
    «Sister», sprach eine der Frauen zu Kabria. «So wie die ihr Gesicht zugerichtet haben und all das andere, wird die ihren Frieden im Jenseits nicht finden, das sag ich dir. Ihr Geist wird weiter zwischen den Lebenden herumschwirren, bis das Richtige getan worden ist.»
    Ihre Freundin gehörte offensichtlich zur Spezies der Zweifler. «Ha? Welches Richtige denn?» stieß sie hervor. «Es hieß doch, jemand hätte für sie ein weißes Huhn geschlachtet in der Nacht danach. Wenn ich sie wäre, würde ich mein weißes Huhn einfach annehmen und in Frieden in mein Jenseits gehen. Ach! Wenn die Geister all der Leute, die hier in Agbogbloshie sterben und um deren Leichnam sich nie jemand gekümmert hat und die in Massengräbern enden da an der ‹Mile Eleven›, wenn die alle herumschwirren würden unter uns, dann würden wir wahrscheinlich mehr Geister als lebendige Menschen hier auf dem Markt antreffen.»
    Kabria fand das weder zum Lachen noch zum Heulen. Sie trat ein paar Schritte näher an die Stelle heran. Ihre Handtasche hing über ihrer linken Schulter, in der rechten Hand hielt sie die Tüte mit den frischen Tomaten. Und je näher sie kam, desto mehr wurde sie von der Neugier gepackt.
    «Es heißt, sie sei gar nicht hier umgebracht worden», meinte jemand.
    «Das habe ich auch gehört», erwiderte eine andere.
    «Ach ja, das Leben!» jammerte eine Dritte. «Wenn man sich vorstellt, neun Monate lang wurde sie von einer Frau in ihrem Bauch getragen. Um dann so zu enden. Sie war vollständig nackt, hieß es.»
    «Was?»
    «Ja.»
    «Wurde sie eigentlich nach Korle-Bu zur Autopsie gebracht?» Kabria wollte es jetzt genauer wissen.
    «Ich glaube ja», antwortete eine Frau. «Die Polizei und die Stadtverwaltung werden sie auf jeden Fall dort hinbringen lassen. Das ist ein Fall für die Mordkommission, also werden sie eine Obduktion vornehmen und sie dann ins Leichenhaus bringen. Wenn sich dann niemand findet, der Anspruch auf den Leichnam erhebt, geht’s ab zur ‹Mile Eleven›.»
    «Jesus

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