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Die Gespenster von Berlin

Die Gespenster von Berlin

Titel: Die Gespenster von Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Khan
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zurückzubringen. Sie dürfen mit deutschem Boden nicht in Kontakt kommen. Es sind die letzten Artefakte einer quasi untergegangenen Kultur.«
    »Fluido?«, fragte Nicole. »Was meinen Sie damit?«
    »Kommen Sie, Madame, ich zeige Ihnen, welch ungewöhnliche Zauberkraft hier wirkt. Die meisten Menschen haben keine Ahnung. Sie gehen an der Vitrine vorbei, sie können sich nicht vorstellen, dass es die Schwarze Magie WIRKLICH gibt, hier in diesem sauberen Berlin verstehen sie rein GAR NICHTS von dieser anderen, dunklen Welt.«
    Während er so sprach, führte er Nicole zu einer gläsernen Vitrine, in der urige, verkorkte Fläschchen mit schleimig-bräunlichem Gebräu standen.
    »Número um, Madame, Fluido Bombastico. Wenn ich esrecht bedenke, dann müssen Sie als Kind in diesen Zaubertrank gefallen sein.« Er kicherte. »Der Wirkstoff enthemmt und macht liebesfähig und begehrenswert.«
    Da Nicole noch hoffte, dass sich eine Möglichkeit ergeben könnte, ihre jahrelangen Erfahrungen im Bereich Event-Marketing anzusprechen, hielt sie einfach die Klappe.
    »Numero dois, Madame Zornig, Fluido Atras Cemitério. Mit diesem Saft man kann Tote zum Leben erwecken. Egal, wie lange sie schon in der Erde rotten, mit diesem Gebräu kehren sie für ein paar Stunden zurück. Sie sehen zwar nicht mehr gut aus, aber sie bewegen sich!« Er lachte. »Sie bewegen sich!« Er lachte abermals.
    »Und das dritte Getränk?«, fragte Nicole kühl.
    »Das ist ein Fluido Tesouro für gute Geschäftsbeziehungen. Wenn Sie einige Tropfen davon in Ihren Verkaufsräumen versprühen, können die Menschen nicht anders, als sehr viel Geld bei Ihnen zu lassen. Sie werden automatisch reich.«
    »Das klingt aber toll«, sagte Nicole. »Das hätte ich gerne.«
    »Liebe Madame, Sie erstaunen mich. Würden Sie nicht lieber einem geliebten Toten neues Leben einhauchen wollen, wenigstens für ein paar Stunden? Kennen Sie den schmerzlichen Verlust durch den Tod etwa nicht?«
    »Nein«, sagte Nicole. »Ruhet in Frieden, das ist meine Meinung dazu. Ich würde lieber das Fluido haben, mit dem man Geld verdient. Kann man es kaufen?«
    Lomoso schaute sie verärgert an. »Diese Artefakte sind geschützte Kulturgüter der brasilianischen Regierung. Es gibt nur noch wenige Zauberkundige in meinem Land, und die meisten Pflanzen, die in diesen Substanzen enthalten sind, sind vom Erdboden verschwunden. Der Fortschritt in meiner Heimat hat die alte Magie schon fast vergessen lassen. Ich bin hier, um diese Gebräue kraft meiner Autorität zu schützen. Nicht ein Tropfen wird davon verschwendet, ich schwöre es, so wahr meine Mutter mich Lomoso geheißen.«
    In diesem Augenblick kamen Udo und Gregor dazu, Lomoso Tonka nickte und verabschiedete sich.
    »Seltsamer Mann«, sagte Nicole. »Er behauptet, mit diesen magischen Substanzen hier kann man zaubern.« Sie deutete auf die Flaschen in der Vitrine. »Tote erwecken, Geld verdienen, zum Sexgott werden.« Die drei betrachteten die Artefakte noch einen Augenblick versonnen und lasen auch die Informationstafel. Dann erklärten Udo und Gregor, dass die Veranstaltung wahnsinnig schön, aber nunmehr im Umkehrschub begriffen sei, da die ersten älteren Damen mit dem Tanzen begonnen hätten und sich dabei an ihre Handtaschen krallten, als seien sie von einem Haufen Handtaschendiebe umzingelt. Unwürdig.
    »Wo geht man denn heute so hin?« fragte Udo. Mittlerweile kannte er sich in Belfast oder Beirut besser aus als in Berlin-Mitte. Deshalb war seine Frage auch von einiger Grausamkeit.
    »Ganz schwer«, sagte Gregor. »Überall Touristen.«
    »Ist echt schwer«, bekräftigte Nicole. »Es ist furchtbar geworden, man kann nirgends mehr hin.«
    Eine halbe Stunde später saßen sie im Grill Royal, blickten auf humoreske Kunstwerke, Reifeschränke voller Fleisch im Milchsäureprozess, Sugar-Daddys und ihre Begleiterinnen sowie dekorative Prominenz aus Fernsehwelt, Politik und Kunst. Sie bestellten Beef Tatar (Gregor), Artischocke und grünen Salat (Nicole), Bayrisches Rinderfilet aus dem Simmental drei Wochen luftgereift (Udo) undvorab zwei Dutzend Sylter Austern sowie gegrillte Gambas (gemeinsam). Dazu entsprechende Weine und als Aperitif eine Runde Gurkenwasser (Gin Tonic). Da entstand ein Moment gemeinsamen Glückes. Doch Udo, so viel familiäre Harmonie nicht gewohnt, bekam Manschetten.
    »Ich spüre die seltsame Angst«, sagte er und wischte mit etwas Brot das Rinderblut vom Teller, »wie diese Männer dort zu enden.« Mit der Linken

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