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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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mittags, während es
mich
gestern um Mitternacht erwischt hat …«
    Lillys Augen weiteten sich, und ich schlug mir die Hand vor den Mund. Verdammt, ich hatte mich verplappert.
    »Wie jetzt? Du bist um Mitternacht auch ein Rabe geworden?«, fragte sie, und mir war klar, dass sie nicht lockerlassen würde, bis sie die ganze Wahrheit erfuhr.
    »Nein, eine Katze«, gab ich widerwillig zu.
    Lillys Augen bekamen die Größe von Untertassen. »Echt jetzt?«, fragte sie und nahm mich scharf ins Visier. Sie dachte wohl, ich wollte sie veräppeln.
    »Mann, Lilly! Mir ist nicht nach Witzen zumute! Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, plötzlich ein Fell und Schnurrhaare zu haben?«
    Lilly hatte mir mit offenem Mund zugehört.
    »Geil! Ich meine …«, verbesserte sie sich hastig, weil sie meinen Blick sah, »… das ist ja schrecklich, aber irgendwie doch auch abgefahren, oder?«
    »Na ja«, gab ich zu. »Irgendwie schon. Ich konnte in der Dunkelheit sehen und viel schneller rennen als ein Mensch. Aber ich war heilfroh, dass ich nicht für immer so bleiben musste.« Doch da schoss mir der Gedanke durch den Kopf, was wäre, wenn die Verwandlung in eine Katze keine einmalige Sache bliebe? Immerhin hatte Laurins Fluch Jonathan zur selben Zeit wie gestern in einen Raben verwandelt. Und eine Ahnung sagte mir, dass auch ich nicht verschont bleiben und mich um Mitternacht im Körper einer gescheckten Katze wiederfinden würde.
    »Also gut, wir brauchen den Ring, koste es, was es wolle«, sagte ich energisch zu dem Raben. »Ich glaube, ich weiß, wo Udo ihn versteckt. Nun müssen wir nur noch die Zahlenkombination zu dem Tresor herausfinden und den Schmuck dort herausholen.«
    »Ich könnte diesen Typen oder seine Frau ablenken«, erbot sich Lilly sofort, und ihre Augen funkelten unternehmungslustig. In diesem Moment ähnelte sie Caro so sehr, dass ich schlucken musste. Doch gleich darauf musterte ich sie mit dem strengsten Lehrerinnenblick, zu dem ich fähig war.
    »Untersteh dich! Das ist viel zu gefährlich! Udo hätte mich damals in den Bergen beinahe verbluten lassen, nur um den Ring nicht mehr hergeben zu müssen! Diese Sache ziehen Jonathan und ich alleine durch.«
    »Aber …«, wollte Lilly protestieren.
    »Nichts da! Ich will nicht Caro wiedersehen und ihr als Erstes erklären müssen, dass ihrer Tochter durch meine Schuld was passiert ist. Ich meine es ernst, Lilly!«, erklärte ich, und sie nickte, wenn auch etwas widerwillig.
    Ich wandte mich wieder an Rabe Jonathan.
    »Noch mal zu Udo nach Hause zu gehen, hat keinen Sinn. Er trifft sich nach der Arbeit gleich mit Frank in irgendeinem Schuppen namens
Ambrosia
oder so ähnlich.«
    »Das ist die volle Nobeldisko!«, platzte Lilly heraus. »Da kostet die Flasche Schampus vierhundert Euro …! Habe ich jedenfalls gehört«, setzte sie schnell hinzu.
    Das passte zu Udo, dachte ich. Er war so großkotzig wie eh und je. Hatte er bei unserer Kursfahrt noch mit dem Partykeller seiner Eltern geprahlt, war es jetzt der Einlass in die teuerste Disko der Stadt.
    »Wir müssen da heute Abend hin!«, rief Lilly, um sich hastig zu verbessern, nachdem sie mir ins Gesicht sah: »Ich meine –
ihr
müsst da heute Abend hin.«
    »Falls Laurins Fluch genauso wirkt wie gestern, wird Jonathan um elf Uhr nachts wieder ein Mensch«, überlegte ich laut. »Und selbst wenn ich mich um Mitternacht in eine Katze verwandeln sollte, hätten wir zusammen eine Stunde als Menschen, um Udo und Frank vielleicht zu belauschen. Nicht, dass die Typen vorhaben, den Ring verschwinden zu lassen.«
    »Vor zehn ist im
Ambrosia
sowieso tote Hose«, gab Lilly sich fachmännisch. »Wenn dieser dicke, alte Sack von Anwalt da überhaupt reinkommt, was ich bezweifle. Dort haben sie nämlich die härteste Tür der ganzen Stadt. Die lassen angeblich nur junge und besonders coole Leute rein. So wie dich und Jonathan – vorausgesetzt, er wird wieder normal«, plapperte Lilly. Jonathan kommentierte ihre letzte Bemerkung mit einem unwilligen Krächzen.
    »Ach komm, jetzt spiel nicht die beleidigte Rabenleberwurst. Du weißt schon, wie ich es meine«, winkte Lilly ab und grinste frech zu dem Vogel hinunter, der sie daraufhin spielerisch in ihren bloßen Zeh zwickte. Lilly schrie auf und musste gleich darauf lachen.
    »Wenn ihr beide fertig seid, könnten wir vielleicht mal einen Plan machen?«, unterbrach ich zuckersüß das Geplänkel der beiden.
    »Die wichtigste Frage

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