Die Gewürzhändlerin
Elisabeths Tonfall hatte sich verändert und klang nun deutlich amüsiert. «Noch mehr Katzengeschichten?»
Elisabeth gluckste. «Nein, das nicht. Aber eine frohe Nachricht ist es: Frau Jutta will sich wieder verheiraten.»
Luzia runzelte überrascht die Stirn. «Oje, doch nicht etwa diesen … Wie hieß er noch gleich? Arnulf von Helfenstein? Ich dachte, Euer Gemahl sei sehr dagegen, weil der Mann einen schlechten Ruf hat.»
«O nein, nicht Arnulf.» Elisabeth schüttelte fröhlich den Kopf. «Du wirst es kaum glauben, aber die standesbewusste und immer auf den Vorteil der Familie bedachte Jutta von Manten hat sich verliebt.»
«Was?»
Elisabeth lachte. «In den neuen Verwalter.»
«In Reinher von Heldweg?»
«In eben den.»
«Ich dachte, sie kann ihn nicht ausstehen», sagte Luzia verwundert.
«Oh, zu Anfang ist sie nicht begeistert gewesen, als Johann ihn als Verwalter auf die Mantenburg gesetzt hat. Die beiden hatten wohl einen unerfreulichen Zusammenstoß während unserer Hochzeitsfeier. Aber nachdem sie nun eine Weile miteinander auskommen mussten, hat sich ihr Verhältnis sehr …» – Elisabeth gluckste wieder – «… gebessert.»
«Sie will unter ihrem Stand heiraten?»
Elisabeth zuckte mit den Schultern. «Offenbar stört sich Jutta nicht einen Deut daran.»
«Sie liebt ihn also tatsächlich?»
«Johann sagt, er habe seine Stiefmutter noch niemals so glücklich gesehen.»
«Das freut mich sehr.» Luzia lächelte. «So etwas kommt gewiss nicht oft vor.»
«Nein, das tut es nicht, Luzia. Es gibt nur wenige, die das Glück haben, einen Ehegespons zu finden, den sie von Herzen lieben können.»
«So wie Ihr.»
«So wie ich», bestätigte Elisabeth. «Die Hochzeit soll kurz nach Ostern stattfinden. Selbstverständlich werden wir hinreisen.»
Luzia rieb sich das Kinn. «Wird das nicht seltsam sein, wenn der Verwalter der Mantenburg zugleich der Stiefvater von Herrn Johanns Halbbruder wird?»
Elisabeth hob überrascht den Kopf und runzelte die Stirn. Dann lachte sie hell auf. «Du hast recht, das wird eine seltsame Verbindung. Aber glaub mir, es gibt noch weit merkwürdigere Familienverhältnisse beim Adel.» Sie blickte sich suchend um und winkte dann Susanna zu sich. «Ich denke, wir sollten allmählich unsere Haare waschen, denn es dauert immer so lange, bis sie wieder getrocknet sind, gerade jetzt im Winter. Und du musst doch bestimmt noch zum Kornmarkt, nicht wahr?»
«Heute Mittag», bestätigte Luzia und nahm das Stück Seife entgegen, welches die Bademagd ihr reichte.
* * *
Am frühen Nachmittag saß Luzia wie so oft in letzter Zeit am Schreibpult in Martins Kontor und studierte dessen Rechnungsbuch. Zwar hatte er ihr dies nicht ausdrücklich erlaubt, verboten jedoch auch nicht. Und da sie bereits so viele Aufträge für ihn entgegengenommen hatte, hielt sie es für unabdingbar, Näheres über seine Kunden sowie die Preise zu erfahren, die er mit ihnen ausgehandelt hatte. Dabei stieß sie mehrmals auf den Namen des Koblenzer Geldwechslers Rigo de Beerte, der sein Geschäft im Kauwerziner Hof führte und der in letzter Zeit mehrmals bei Martin vorgesprochen hatte. Worum es bei den Gesprächen ging, wusste Luzia nicht, vermutete jedoch inzwischen, dass sie etwas mit Martins Schwester Marcella zu tun hatten. Das Mädchen hatte eindeutig eine Zuneigung zu dem jungen Kauwerziner gefasst; jedenfalls schloss Luzia dies aus den schmachtenden Blicken, die Marcella Rigo immer wieder zuwarf, wenn dieser sich im selben Raum wie sie aufhielt.
Auch Rigo schien nicht abgeneigt zu sein, und so nahm Luzia an, dass möglicherweise bald die freudige Nachricht einer bevorstehenden Vermählung kundgetan würde. Einem Geldwechsler in der Familie wäre Martin gewiss nicht abgeneigt – wahrscheinlich wäre ihm eine solche Verbindung sogar hochwillkommen.
Gedankenverloren spielte Luzia mit dem Messerchen, das sie benutzte, um auf den Pergamenten kleine Fehler auszumerzen. Im Grunde war eine Eheschließung nichts anderes als ein Handel, das wusste sie. Auch sie selbst hätte einmal einen passenden Mann heiraten sollen – einen freien Bauern, wenn es nach ihrem Vater gegangen wäre. Leider hatte sich im näheren und weiteren Umkreis ihres Heimatdorfes ein solcher nicht gefunden. Im Nachhinein betrachtet hatte es sich natürlich als ein großes Glück für sie erwiesen, dass sie noch unverheiratet gewesen war, als Elisabeth von Küneburg auf der Burg Kempenich eingezogen war und eine Magd gesucht hatte.
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