Die Gewürzhändlerin
sich mit einem Ruck über den Kopf. Wie sie es von Elisabeth gelernt hatte, hängte sie das Überkleid ordentlich an einem Haken an der Wand auf, bevor sie begann, auch die Verschnürung ihres Unterkleides aufzunesteln.
Es war schon erstaunlich, wie sehr sich ihr Leben in letzter Zeit ein weiteres Mal verändert hatte. Sie dachte an die erste Lieferung Buchfarben, die sie vor einiger Zeit von Kapitän Loerbek entgegengenommen und von denen sie inzwischen einen Teil an die Benediktiner in Laach ausgeliefert hatte. Es war ein aufregendes, erhebendes Gefühl gewesen. Leider hatte er sie, was die Duftöle anging, noch ein wenig vertrösten müssen, da jener Apotheker in Worms selbige erst ganz frisch für sie herstellen wollte. Auch auf das Sandelholz musste sie warten, bis Loerbek ein weiteres Mal aus Basel herunterkam, weil er dort zunächst nur eine Bestellung an einen seiner Verbindungsmänner hatte aufgeben können, die dieser aber, wie er versprochen hatte, umgehend an Martins Bruder Bertholff weiterleiten würde.
Luzia wusste, dass es ein Wagnis war, so viel Geld auszugeben. Doch sie hatte sich umgehört und in Erfahrung gebracht, dass gerade Sandelholz beim hohen Adel begehrt war. Warum sollte sie nicht versuchen, sich dafür ebenfalls einen Kundenstamm aufzubauen? Und wenn dieser Apotheker aus Worms wirklich ein so tüchtiger Alchemist war, wie Loerbek behauptete, müsste sie vielleicht nicht einmal nach einem fähigen Mann suchen, der aus dem gemahlenen oder auch in wolligen Fasern gelieferten Sandelholz hochwertiges Parfümöl oder eine Essenz herstellen konnte. Sobald die
Ludwina
erneut in Koblenz einlief, würde sie mit dem Kapitän darüber sprechen und vielleicht sogar selbst nach Worms reisen, um diese Apotheke aufzusuchen.
Luzias Herz klopfte aufgeregt. Noch immer hatte sie Martin nichts von ihren neuen Plänen erzählt, künftig auch mit ganz speziellen und ausgesucht wertvollen Ölen und Duftessenzen zu handeln. Sie war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren würde. Ihr Ehrgeiz wuchs stetig, dennoch wusste sie, dass sie sich als Frau in einer schwierigen Situation befand. Nicht alle Menschen würden ihr vertrauen, ob es sich nun um Kunden oder andere Kaufleute handelte. Sie brauchte auch weiterhin Martins Rat und Fürsprache. Daher hoffte sie, dass er, wenn sie die Waren erst einmal in Händen hielt, nicht versuchen würde, sie von ihrem Vorhaben wieder abzubringen. Schimpfen würde er gewiss, davon ging sie aus. Ganz sicher würden sie einmal mehr in Streit geraten, doch mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um sich zuzutrauen, in der rechten Weise mit seinem Zorn umgehen zu können.
Als Luzia unvermittelt irgendwo draußen lautes Gelächter und Grölen vernahm, hielt sie inne. Es klang, als sei eine Gruppe betrunkener Knechte im Palas unterwegs. Instinktiv zurrte sie die Verschnürung ihres Unterkleides wieder fester. Vorsichtig trat sie an die Tür ihrer Kammer und lauschte. Die Stimmen kamen näher. Sie lauschte noch einmal kurz, öffnete die Tür und trat hinaus.
«Bleibt, wo Ihr seid!», befahl ihr Martin, dessen Tür sich zur gleichen Zeit geöffnet hatte. Mit wenigen Schritten war er an der Wendeltreppe, horchte kurz und stieg dann einige Stufen hinab. Luzia hörte ihn fluchen, als er um die erste Treppenwindung verschwunden war. «Luzia, kommt her und helft mir!», schallte Augenblicke später seine Stimme zu ihr hinauf.
Rasch stieg sie ebenfalls die Stufen hinab, bis sie die Steinkammer ein Geschoss weiter unten erreicht hatte. «Anton!», rief sie entsetzt, als sie ihren Bruder erkannte, der wie ein nasser Sack an Martins Schulter hing.
Er taumelte, als er seine Schwester erblickte, und grinste schwammig. «Lusssia! Ham Wiedersssehn g’feiert», lallte er und versuchte, sie zu umarmen.
«He, he, mein Freund, bleib hier», sagte Martin und hielt den Jungen eisern fest. «Sonst fällst du mir noch die Treppe hinab.
«Isch will aber …»
«Ins Bett willst du», unterbrach Martin ihn streng.
«… sssu meiner Schschester», fuhr Anton fort und machte einen Schritt auf Luzia zu.
«Schon gut, Tünn, ich bin ja hier», sagte sie rasch und ergriff seinen Arm. Fragend blickte sie Martin an. «Was jetzt?»
«Wir bringen ihn nach oben», antwortete er. «Geht Ihr voraus, haltet ihn weiter am Arm fest. Kann er sich auf Euch stützen? Ich gehe hinter ihm, damit er nicht hintenüberkippt.»
Gemeinsam zogen und schoben sie Anton Stufe für Stufe die Wendeltreppe hinauf. «War
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