Die Gewürzhändlerin
Martins Kontor sehr ernsthaft und mit Ehrgeiz ausgeführt. Hin und wieder waren sie in Streit geraten über ihren Eifer, ihren Handel in kürzester Zeit so stark auszuweiten. Doch sie hatte sich dafür entschieden. Sie wollte eine Händlerin sein und alles tun, damit sich ihr Wunsch erfüllte und ihr Unternehmen von Erfolg gekrönt wurde.
Martin sah sie forschend von der Seite an. «Wir können leider keine Pause mehr einlegen. Es wird bald dunkel, und man weiß nicht, welches Gesindel sich in den Eifelwäldern herumtreibt.»
Luzia zog verstimmt die Stirn in Falten. «Schon gut, ich werde es überleben. Ich wünschte nur, Eure Worte klängen nicht gar so garstig.»
«Garstig? Wie das?»
«Mir scheint, Ihr mögt die Eifel nicht sonderlich. Ich bin hier aufgewachsen und noch niemals irgendwelchen Schurken begegnet.»
Martin lachte. «Ich habe nicht das Geringste gegen diesen Landstrich – solange es hier Burgen gibt, deren Bewohner bei mir Wein und Gewürze einkaufen. Leider wurde schon mehr als eine dieser Lieferungen überfallen, was doch wohl ein berechtigter Grund für meine Sorge sein dürfte, oder nicht?»
«Früher wurde hier niemals jemand überfallen», grollte Luzia.
«Früher vielleicht nicht, doch seit der großen Pestilenz ist alles anders geworden.» Martin legte den Kopf schräg. «Blasweiler heißt das Dorf, in dem Ihr geboren seid, nicht wahr?»
Sie nickte. «Warum fragt Ihr?»
«Nun, ich überlege gerade, ob Ihr auf dem Rückweg morgen einen kleinen Abstecher dorthin machen möchtet. Ihr habt noch Grundbesitz dort, oder nicht?»
Überrascht blickte sie ihn an. «Anton besitzt den Hof und das dazugehörige Land. Ich verwalte es nur, bis er erwachsen ist und sein Erbe antreten kann.»
«Was bald der Fall sein dürfte», sagte Martin mit einem kurzen Blick über die Schulter auf den Jungen, der wie so oft schweigsam neben Alban saß und dessen Geschichten lauschte. «Weiß er schon, was er mit dem Land anfangen will?»
«Darauf leben und arbeiten wohl nicht», schnappte sie. «Er ist gern Euer Lehrling.»
«Das hatte ich auch nicht angezweifelt.» Martin schüttelte nachsichtig den Kopf. «Luzia, Ihr braucht nicht dauernd die Krallen auszufahren. Ich kann ja verstehen, dass Ihr Eure Heimat verteidigen möchtet, und versichere Euch, dass mir nichts ferner liegt, als Euch beleidigen zu wollen.»
«Ihr beleidigt mich nicht», knurrte sie.
«Ach nein? Nun, dann möchte ich Euch bitten, Eure schlechte Laune für Euch zu behalten. Ich hatte Euch lediglich einen Gefallen tun wollen. Immerhin dürftet Ihr Euer Elternhaus schon eine Weile nicht mehr gesehen haben.»
«Zwei Jahre.»
«Seht Ihr! Und da es nur ein kleiner Umweg wäre …»
«Es ist nicht mehr das Haus, das ich einmal verlassen habe. Fremde Menschen leben jetzt dort zur Pacht. Meine Familie gibt es nicht mehr – bis auf Anton.» Sie senkte den Blick. Niemals würde sie vor Martin zugeben, dass sie Angst hatte zurückzukehren. Sie fürchtete sich vor den Geistern der Vergangenheit ebenso wie vor seinem Urteil. Weshalb wollte er mit ihr nach Blasweiler reiten? Wäre es nicht eine Erniedrigung für sie, wenn er sähe, wo sie das Licht der Welt erblickt und ihre Kindheit verbracht hatte? Und war es nicht ein schreckliches Unrecht ihren Eltern gegenüber, dass sie so dachte?
Andererseits hatte auch Elisabeth schon mehrfach angedeutet, dass es an der Zeit war, in Blasweiler nach dem Rechten zu sehen. Sie hatte davon gesprochen, Johann zu bitten, jemanden auszusenden, der sich Haus und Land ansah und mit den Pächtern über die ausstehenden Pachtzinsen sprach. Es war Luzias Pflicht, sich um das Erbe zu kümmern, also musste sie jetzt die Gelegenheit wohl oder übel ergreifen.
«Ich danke Euch für Euer Angebot», sagte sie hölzern. «Dann würde ich auch gerne auf dem Friedhof vorbeischauen.»
Sie spürte seinen forschenden Blick auf sich ruhen, vermied es aber weiterhin, ihn anzusehen.
«Also gut, dann ist es abgemacht», erwiderte er.
Für den Rest des Weges herrschte kühles Schweigen zwischen ihnen.
* * *
«Ei, wen haben wir denn da? Nein, das ist doch wohl nicht Luzia, oder?», rief die Burgherrin Hedwig, als sie zur Begrüßung der Gäste in den Burghof kam. Sie war eine Frau Ende der zwanzig, klein, ein wenig rundlich und von fröhlichem, redseligem Gemüt. Ihr hellblondes Haar war wie auch früher schon fast gänzlich unter ihrer weißen Rise und dem geblümten Gebende verborgen. Ihre wasserblauen Augen funkelten
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