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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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umzugehen verlangte ihr heute einfach zu viel ab. «Ich war im Gasthaus
Zum Spieß
, um einen Wechsel für Martin abzuholen …»
    «Für Martin?» Augusta funkelte sie an. «Ihr wagt es in seiner Abwesenheit, ihn beim Vornamen zu nennen?»
    Genervt verdrehte Luzia die Augen. «Das wage ich auch in seiner Anwesenheit, Frau Augusta. Er nennt mich ebenfalls bei meinem Vornamen. Seit wann ist das verboten?»
    «So weit ist es also schon gekommen, ja?», zeterte Augusta und rang die Hände. «Das schickt sich nicht!»
    «Was schickt sich nicht? Freunde sprechen einander mit Vornamen und vertraulichem Du an, Frau Augusta. Das werdet Ihr wohl weder leugnen noch verhindern können.»
    «Freunde? Freunde?» Augusta stemmte die Hände in die Hüften. «O Heilige Muttergottes, lass es nicht wahr sein! Ihr habt doch wohl nicht …» Sie fixierte Luzia streng. «Habt Ihr Euer Spielchen wirklich schon so weit getrieben?»
    Luzia nahm die gleiche Haltung an wie Augusta und blitzte zornig zurück. «Was für ein Spielchen?»
    «Ihr habt Euch ihm hingegeben, nicht wahr? Unfassbar. Wie könnt Ihr das nur tun? Seid Ihr so von Ehrgeiz getrieben, dass Euch selbst Eure Unschuld nichts wert ist?»
    Entsetzt starrte Luzia sie an. «Das habe ich nicht getan, Frau Augusta.»
    «Ach nein? Ich glaube Euch kein Wort. Das war doch überhaupt der Grund, weshalb Ihr mit ihm auf diese lächerliche Reise nach Laach gegangen seid. Als hätte er nicht ohne Euch die Farben dort abliefern können. Nein, Ihr wolltet ja unbedingt mit ihm reiten. Unerhört, wie Ihr Euch aufführt! Ich begreife nicht, dass eine Frau wie die Gräfin Elisabeth so etwas nur zulassen kann. Aber ich tue das nicht, Luzia, ich nicht! Ich lasse nicht zu, dass Ihr meinen Sohn auf diese Weise ausnutzt. Was versprecht Ihr Euch nur davon?»
    «Ihr irrt Euch, Frau Augusta. Ich habe nicht …»
    «Ihr nutzt ihn aus», wiederholte Augusta unbeirrt und mit Bitterkeit in der Stimme. «Hat es Euch große Überwindung gekostet? Ich weiß sehr wohl, dass Euch seine Narben abstoßen. Bisher habe ich Euch misstraut, weil ich fand, dass Ihr weder von Stand noch von Gesinnung her ein Umgang für meine Familie seid. Martin schätzt Euch sehr – Gott weiß, dass mir seine Vernarrtheit in Euch nicht verborgen geblieben ist. Aber dies nun kann und werde ich nicht gutheißen. Martin hat in seinem Leben bereits genug Leid durchlebt, ohne dass Ihr jetzt mit ihm spielt und ihn für Eure ehrgeizigen Ziele benutzt. Schlimm genug, dass niemand Eurem Tun einen Riegel vorschieben kann, weil der einzige männliche Verwandte, den Ihr habt, noch ein Junge ist.»
    Luzia blickte Augusta entsetzt an. «So also denkt Ihr von mir.»
    «Habt Ihr Euch das nicht selbst zuzuschreiben?», fauchte Augusta. «Aber lasst Euch gesagt sein, dass ich das nicht mehr länger mit ansehen werde. Ich kann nichts dagegen tun, dass Ihr für Martin seine Geschäfte führt, solange er fort ist, denn das ist ja sein Wunsch. Aber wenn Ihr auch nur einen Funken Anstand im Leib habt, werdet Ihr bei seiner Rückkehr den Platz in diesem Kontor verlassen und Euch nicht mehr hier blicken lassen.» Fordernd reckte Augusta das Kinn.
    Luzias Herz klopfte hart und schmerzhaft gegen ihre Rippen. Augustas Zorn und ihre offenen Anschuldigungen verletzten sie zutiefst. «Wie könnt Ihr nur glauben, dass ich zu solch hinterhältigem Tun fähig wäre?», fragte sie und wunderte sich über die Kälte in ihrer Stimme. «Ich sehe in Martin einen guten Freund, den besten vielleicht, den ich außer Frau Elisabeth jemals hatte. Ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er für mich getan hat …»
    «Dankbar … Pah!»
    «Unterbrecht mich nicht, Frau Augusta!», fuhr sie Martins Mutter zornig an. «Ich weiß nicht, wie Ihr nur für einen Moment glauben könnt, dass ich ihm aus dieser Dankbarkeit heraus – oder schlimmer noch, aus Ehrgeiz! – meinen Leib angeboten habe, noch dazu, da ich, wie Ihr zu wissen glaubt, seinen Anblick verabscheue.»
    «Tut Ihr es etwa nicht?», schoss Augusta zurück. «Denkt Ihr, ich hätte das nicht vom ersten Moment an bemerkt? Ich dulde das nicht. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen,
Jungfer
Luzia.»
    Die beiden Frauen starrten einander feindselig in die Augen, bis Luzia schließlich als Erste den Blick senkte. Ratlosigkeit und zugleich eine tiefe Traurigkeit stiegen in ihr auf. Hatte sie Augustas Vorwürfen wirklich etwas entgegenzusetzen? Die Erinnerung an die Nacht auf Burg Kempenich ließ ihre Haut kribbeln und ihr Herz rasen.

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