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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Der Kerl sah verboten aus, scheint aber ein zuverlässiger Bote zu sein. Wie er mir sagte, hatte er auch für andere Kaufleute in Koblenz Briefe im Gepäck.»
    «Dennoch sieht es Martin nicht ähnlich, eine derartig hohe Summe übers Land zu schicken», entgegnete Luzia. «Hätte er sie nicht als Wechsel hinterlegt?» Sie griff wieder nach dem Brief. «Und warum weist er mich an, Stillschweigen darüber zu bewahren? Wem sollte ich schon davon erzählen?»
    Ratlos blickten die beiden Frauen einander an.
    «Steht in dem Brief irgendetwas, das Ihr noch nicht wusstet?», fragte Augusta schließlich.
    Luzia atmete hörbar aus. «Nein. Ich war dabei, als er die Nachricht von der
Ludwina
erhielt. Warum bittet er mich noch einmal, seine Geschäfte weiterzuführen? Er weiß doch, dass ich das tue.»
    «Er muss in großer Eile gewesen sein», vermutete Augusta. «Schaut Euch an, wie viele Kleckse er mit der Tinte auf dem Pergament gemacht hat. Und hier unten ist seine Schrift kaum leserlich, vollkommen verschmiert.»
    Luzia nickte zustimmend. «Dennoch hätte er sich etwas genauer ausdrücken können. Nun sind wir nicht klüger als zuvor, was seine Rückkehr betrifft.» Seufzend legte sie den Brief beiseite. «Diese Geldkassette werde ich wohl besser in einer der Truhen verstauen.»
    Während Augusta ihr dabei zusah, trat sie unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. «Warum summt Euer Kreuz plötzlich so laut?», fragte sie schließlich mit unüberhörbarem Unbehagen in der Stimme.
    Luzia legte eine Hand an ihre Brust und zog das Kruzifix unter ihrem Kleid hervor. Es fühlte sich unnatürlich warm an. Im Dämmerlicht des Kontors kam zu dem Summen auch ein deutlich sichtbares bläuliches Leuchten hinzu.
    Ein kalter Schauer kroch Luzias Rückgrat hinauf. «Es warnt vor einem Ungemach.»
    «Warnt Euch?»
    «Uns – uns alle.»
    Augusta baute sich vor Luzia auf, ergriff das Kruzifix und betrachtete es eingehend. «Ihr glaubt also, dass ein Unglück geschehen wird.»
    Etwas zittrig atmete Luzia ein. «Ich bin mir sicher, Frau Augusta.
    «Was können wir dagegen tun?»
    Verzagt hob Luzia die Schultern. «Wenn ich das wüsste. Solange wir nicht wissen, was uns bevorsteht, können wir gar nichts tun, fürchte ich.»
    Kopfschüttelnd ließ Augusta das Kruzifix wieder los. «Da tragt Ihr nun diese merkwürdige Reliquie, die Euch noch dazu vor schlimmen Ereignissen warnt, aber Euch gegen selbige zu schützen ist Euch nicht möglich. Ihr müsst zugeben, dass das äußerst seltsam klingt – unglaublich, will ich hinzufügen. Was für eine Frau seid Ihr, Luzia?»
    «Ich …» Was sollte sie darauf antworten?
    «Warum tragt Ihr das Kreuz nicht mehr an Martins Kette?», wollte Augusta unvermittelt wissen. Sie nahm das Kreuz noch einmal in die Hand und musterte argwöhnisch die einfache Silberkette, an der es befestigt war.
    «Ich habe Martin gebeten, die Kette mit nach Mainz zu nehmen.»
    «Warum das?» Augusta war sichtlich verblüfft.
    So genau konnte Luzia das selbst nicht sagen. «Zum Schutz.»
    «Zum Schutz?», echote Augusta. «Wovor? Und was bringt Euch auf den Gedanken, dass eine silberne Kette Martin in irgendeiner Form beschützen könnte? Seid Ihr von Sinnen?»
    «Hört zu, Frau Augusta.» Luzia seufzte. «Ich bin keine Zauberische und auch nicht besessen. Meine Sinne habe ich beisammen wie Ihr. Dennoch kann ich Euch nicht erklären, was es mit dem Kruzifix auf sich hat. Es summte und vibrierte, als Martin in Blasweiler die Nachricht von der
Ludwina
erhielt. Ich war besorgt, deshalb habe ich ihn gebeten, die Kette zu tragen. Erst wollte er sie nicht mitnehmen.»
    «Aber Ihr habt darauf bestanden.»
    «Ja. Ich kann nicht sagen, wie, aber ich habe das Gefühl, dass die Kette ihn beschützt. So wie das Kreuz und der Rahmen mich und Frau Elisabeth beschützt haben, als die Pestilenz über uns kam.»
    «Ihr glaubt, das Kreuz habe Euch vor der Krankheit beschützt.» Nachdenklich zog Augusta die Stirn in Falten und beäugte ein weiteres Mal das Kreuz, das noch immer unheimlich leuchtete und summte. «Und jetzt sagt Ihr, es wird Martin vor einem Unglück bewahren, doch welcher Art dieses Unglück ist, wisst Ihr nicht.»
    «Nein, ich weiß es nicht. Aber es hat etwas mit diesem Brief zu tun.» Luzia wies auf das Pergament, welches nun wieder auf dem Pult lag.
    «Wie kommt Ihr darauf?»
    «Damals – eine gewisse Zeit vor Ausbruch der Pest – fing es auch mit einem Brief an», erinnerte Luzia sich. «In ihm wurde Frau Elisabeth die

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