Die Gewürzhändlerin
vernommen hatte. War er verärgert? «Aber wie es nun einmal so ist, leihe ich mir grundsätzlich kein Geld von Männern, denen ich noch nie begegnet bin. Muskin hingegen kenne ich schon mein Leben lang. Er ist vertrauenswürdig.»
«Das ist Herr de Beerte bestimmt auch.» Marcella lächelte unschuldig. «Vielleicht solltest du ihn einmal kennenlernen, Bruder.»
Augusta räusperte sich vernehmlich.
Martin hob eine Augenbraue. «Mir scheint, da bist du mir wohl einen Schritt voraus, liebe Marcella. Darf ich fragen, woher diese freundliche Fürsprache deinerseits rührt?»
Nun errötete Marcella leicht und senkte den Blick. Augusta antwortete an ihrer Stelle: «Wir sind Herrn de Beerte seit seinem Einzug in den Kauwerziner Hof einige Male begegnet. Hauptsächlich zur heiligen Messe in der Kirche, nicht wahr, Konrad?» Sie warf ihrem jüngeren Sohn einen kurzen Blick zu, den dieser mit einem raschen Nicken erwiderte.
«Bislang habe ich ja von Geldwechslern nicht viel gehalten», fuhr Augusta fort. «Man braucht sie eben, aber wenn es ums Geschäft geht, sind viele von ihnen lästig wie die Schmeißfliegen. Rigo de Beerte jedoch …» Sie lächelte leicht. «Er ist ein sehr freundlicher und zuvorkommender Mensch, Martin. Du solltest dich in der Tat um seine Bekanntschaft bemühen.»
Bedächtig wischte sich Martin seine Hände am Tischtuch ab. «Dazu werde ich ganz sicher noch die Gelegenheit haben, Mutter. Nimm es mir nicht übel, wenn ich heute Abend nicht weiter darüber sprechen möchte. Vielmehr will ich meine lieben Gäste und auch euch …» – er blickte von seiner Mutter zu seinen Schwestern, dann zu seinem Bruder – «über eine Begebenheit in Kenntnis setzen, die unser aller Familien betrifft.» Sogleich war die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf ihn gerichtet. Elisabeth warf Johann einen fragenden Blick zu, den dieser nur mit einem Achselzucken erwiderte.
Luzia spürte eine leichte Gänsehaut im Nacken. Sie hatte ihren Löffel neben den Teller gelegt und spielte unbewusst damit herum. Als nun Martins Blick auf sie fiel und auf ihrem Gesicht verharrte, machte sich ein merkwürdig flaues Gefühl in ihrer Magengrube breit.
Martin hatte seine Worte mit Absicht einen Moment lang wirken lassen. Er war ein gewandter Redner und wusste, wie er das Interesse seiner Mitmenschen auf sich lenken konnte. Aufmerksam betrachtete er die Gesichter seiner Familie und seiner Gäste; sein Blick blieb für einen Moment an Luzia hängen. Wie schon am Vortag brachte ihn das ein wenig aus dem Konzept. Er ertappte sich dabei, dass er versuchte, ihren Blick einzufangen, doch sie hielt ihre Augen gesenkt und schaute sehr konzentriert auf einen Punkt mitten auf dem Tisch. Zu gerne hätte er gewusst, was in ihrem hübschen Kopf vorging. Als er sich dieses Gedankens bewusst wurde, zwang er sich sofort, sich wieder auf das zu konzentrieren, was er der Gesellschaft an seinem Tisch zu verkünden hatte. Er brauchte jedoch noch einen weiteren Atemzug lang, um sich so weit zu sammeln, dass er die rechten Worte fand.
«Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden», begann er und richtete sich ein wenig auf. «Vor etwas mehr als zwei Jahren fragte mich die Jungfer Luzia, ob ich einen Vorfahren namens Radulf von Wied habe.» Er machte eine Pause und lächelte unmerklich, als Luzias Kopf hochruckte. Fassungslos starrte sie ihn an, während die Blicke aller anderen nun neugierig auf sie gerichtet waren.
«Damals verneinte ich ihre Frage in dem guten Glauben, die Wahrheit zu sagen. Eine Weile später jedoch fand ich durch Zufall heraus, dass ich mich geirrt hatte. Die Geschichte unserer Familie lässt sich rund zweihundert Jahre zurückverfolgen. Schon immer waren die Wieds Kaufleute, die ursprünglich aus dem Ort Wied kamen, weshalb ich davon ausging, dass unser Familienname davon abgeleitet ist. Mein Urgroßvater verlegte unser Geschäft schließlich nach Koblenz, wohl weil hier mit dem Zusammenfluss von Mosel und Rhein und durch die häufige Anwesenheit des Erzbischofs bessere Voraussetzungen für erfolgreichen Handel gegeben waren und sind … Nun, einige Zeit nach dem Gespräch mit Luzia fielen mir ausgerechnet im Keller meines eigenen Hauses Schriftstücke in die Hand, die in jene Vergangenheit unserer Familie zurückreichen.»
«In unserem Keller?», echote Augusta verblüfft.
Martin ging nicht darauf ein. «Es handelt sich um Briefe und etwas, das ich für ein Testament halte. Da alles in Latein verfasst ist, werde ich
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