Die Gewürzhändlerin
Worten und ließ sich ermattet in die Kissen zurücksinken. «Was für eine Frau bist du eigentlich, Elisabeth? Die meisten anderen Frauen wären froh, wenn sie die Fehltritte ihrer Ehemänner so wenig wie möglich oder besser gar nicht zu Gesicht bekommen. Und du willst das Mädchen hierher zu uns ins Haus nehmen und dich um sie kümmern?»
Elisabeth lächelte. Sie wusste, wann sie gewonnen hatte, aber auch, dass der Sturm noch nicht ganz gebannt war. «Ich habe dir Enneleyn nie zum Vorwurf gemacht. Und um deine Frage zu beantworten: Ich scheine die einzige Frau zu sein, die es mit einem Brummbären wie dir aufzunehmen vermag, Graf Johann. Das sollte dir zum Beweis dienen, dass ich mich nicht leicht in die Flucht schlagen lasse.»
«Hier geht es nicht um Flucht, Elisa …»
«Nein, nur um das Gerede, das du befürchtest und das wir zweifellos heraufbeschwören, wenn wir das Mädchen in unser Haus aufnehmen. Davor fürchte ich mich nicht, Johann. Sieh es einmal so: Wir tun ein gottgefälliges Werk, besänftigen dein schlechtes Gewissen und erhalten eine Hilfe im Haus. Jedem ist damit geholfen.»
Johann musterte sie mit zusammengezogenen Brauen. «Ich habe ein schlechtes Gewissen?»
Elisabeth nickte lächelnd. «Unübersehbar, ja.» Sie beugte sich ein wenig vor und hauchte einen sanften Kuss auf seine Lippen. Sogleich umfasste er ihre Schultern und zog sie dichter zu sich heran. Ihre Lippen trafen sich erneut, diesmal deutlich leidenschaftlicher. Johanns Hände glitten unter die Decke und fuhren verlangend über ihren Körper. Elisabeth lachte leise. «Ich nehme an, wir setzen das Gespräch morgen früh fort.»
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5. Kapitel
L uzia hatte lange mit sich gerungen, doch schließlich hatte ihre Neugier obsiegt. Nervös stand sie in ihrer Kammer und zupfte abwechselnd an ihrem Kleid und an ihren kunstvoll aufgesteckten Locken herum. Sie fürchtete sich ein wenig vor dem bevorstehenden Abendessen in Wieds Haus. Nicht nur die Tatsache, dass er über ihre Vergangenheit Bescheid zu wissen schien, machte ihr Sorgen. Bisher war sie noch niemals zu einem offiziellen Besuch in einem bürgerlichen Haushalt eingeladen worden. Zwar hatte Elisabeth ihr in den vergangenen Jahren eine regelrechte Erziehung angedeihen lassen, sodass Luzia wusste, wie man sich in Gesellschaft höhergestellter Personen zu benehmen hatte. Doch ihr theoretisches Wissen nun anwenden zu müssen war etwas vollkommen anderes. Zudem fragte sie sich seit dem Vortag immer wieder, was genau wohl Augusta Wied über sie gesagt haben mochte. Gewiss hatte sie bemerkt, wie nervös Luzia geworden war, als das Kruzifix so laut gesummt hatte. Aber wie in aller Welt sollte sie das erklären, ohne sich noch verdächtiger zu machen?
Schweren Herzens beschloss Luzia, das Kruzifix an diesem Abend zu Hause zu lassen. Wenn sie es trüge, würde es vermutlich nur wieder für Aufsehen sorgen. Sorgsam legte sie es in die mit einem grünen Leinentuch ausgelegte Schatulle und fuhr mit den Fingerspitzen über den hübschen ovalen Ausschnitt ihres hellgelben Kleides, das den Farbton ihrer hellen Haut sowie ihres rotgoldenen Haars vortrefflich unterstrich. Ohne das Gewicht der Kette fehlte ihr jedoch etwas.
Als es an ihrer Kammertür klopfte, drehte sie sich um. Ihr Bruder streckte seine Nase durch den Türspalt. «Darf ich reinkommen?»
«Sicher, Anton, komm herein.» Sie ging zu ihrem Bett und nahm den braunen Wollmantel auf, den Elisabeth ihr vor fast drei Jahren geschenkt hatte. «Hast du etwas auf dem Herzen?»
«Nö.» Anton ging ebenfalls zum Bett und setzte sich darauf. Er musterte Luzia eingehend. «Du siehst hübsch aus.»
Überrascht blickte sie ihn an. «Tatsächlich?» Bisher hatte ihr Bruder so gut wie nie etwas über ihr Aussehen gesagt.
«Hm, ja.» Anton schien etwas verlegen zu sein. «Gar nicht mehr wie die Luzia von früher. In Blasweiler bist du immer in die Obstbäume geklettert oder nachts aus dem Dachfenster.»
Ein Lächeln stahl sich auf Luzias Lippen. «Ich habe mich verändert, ja? Mit diesem Kleid hier dürfte es mir schwerfallen, in eine Baumkrone zu klettern.»
Anton grinste. «Wenn hier einer klettert, dann Godewin … oder ich. Warum gehst du heute zu diesem Kaufmann?»
Luzia setzte sich neben ihren Bruder und legte sich den Mantel ordentlich über den Schoß. «Weil er mich eingeladen hat.»
«Was will er von dir?»
«Von mir?» Überrascht hob Luzia den Kopf. «Nichts. Das heißt, er will mit mir sprechen. Und mit
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