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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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immer darüber nach, warum wohl das Kruzifix seit Tagen summt. Ich glaube noch immer, dass es uns warnen will, und werde das Gefühl nicht los, dass es mit Herrn Wied zu tun hat.»
    Elisabeth dachte über die Worte ihrer Magd nach. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Martin Wied eine Gefahr für uns bedeutet. Er ist Radulfs Nachfahre. Demzufolge – was wir über die Geschichte unserer Familien wissen – sollte er auf unserer Seite stehen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass er das nicht tut.»
    «Ich weiß, Herrin.» Etwas beschämt senkte Luzia den Blick. «Es ist ja auch nur so ein Gefühl, weil das Kruzifix …»
    «Du kannst ihn nicht leiden, nicht wahr?», unterbrach Elisabeth sie und drückte erneut ihre Hände.
    Luzia hob den Kopf wieder.
    «Was hast du gegen ihn?», fragte Elisabeth nun mit deutlicher Neugier in der Stimme. «Er ist ein guter Mann. Johann vertraut ihm, und er hat uns gegen meinen Onkel beigestanden. Er …» Sie zögerte kurz. «Herr Wied erzählte mir einmal, dass er Johann zu großem Dank verpflichtet sei.»
    «Wie das?»
    Elisabeth hob die Schultern. «Genaues hat er nicht erzählt – nur dass Johann ihm einst das Leben gerettet habe.» Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, unterließ es aber.
    Luzia starrte sie an. «Das Leben gerettet? Wann war das?»
    Einen Augenblick zögerte Elisabeth erneut, dann antwortete sie: «Es muss schon lange her sein – kurz nachdem sich Johann und Martin kennengelernt hatten. Er … ich …» Sie schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass es Martin recht wäre, wenn ich jemandem ohne seine Zustimmung davon erzähle. Es ist nur … Ich bin ganz sicher, dass wir ihm vertrauen können, Luzia. Aber wenn du dich in seiner Gegenwart nicht wohl fühlst, werde ich dich nicht zwingen, ihm mehr als notwendig zu begegnen.»
    «Danke, Herrin.» Luzia wich Elisabeths Blick aus.
    «Vielleicht irrst du dich ja auch, und das Kruzifix will uns vor etwas ganz anderem warnen.»
    «Ja, vielleicht.»

[zur Inhaltsübersicht]
6. Kapitel
    M artin hatte sich fest vorgenommen, noch innerhalb der nächsten zwei Tage zum Haus seines Freundes zu gehen, um sich das Kruzifix anzusehen. Dann waren jedoch mehr geschäftliche Angelegenheiten zu bewältigen gewesen, als er gedacht hatte. Auch wenn er dank des Juden Muskin nun wieder über reichlich Rücklagen verfügte, musste er doch feststellen, dass diese Tatsache allein noch lange nicht ausreichte, um sein Kontor wieder in Schwung zu bringen. So verbrachte er Stunden um Stunden an seinem Schreibpult, um seine Rechnungsbücher zu studieren und Briefe aufzusetzen. Konrad schickte er mit einer langen Liste von Erledigungen los, die keinen Aufschub duldeten. Zwar hatte sein Bruder die Bücher sorgsam geführt, jedoch einige Außenstände offenbar vor sich hergeschoben. Überdies musste sichergestellt werden, dass manche der verbliebenen Kunden endlich ihre bestellte Ware erhielten. Dummerweise fehlte Martin eine weitere helfende Hand, jemand, der in der Lage war, die mitgebrachten Waren aus Italien im Lagerhaus zu sortieren und eine Bestandsliste anzufertigen. Wenn er nicht selbst bald dazu kam, würde er den Überblick verlieren.
    Seine größten Hoffnungen gründeten sich auf den großen Jahrmarkt, der in wenigen Tagen in Koblenz beginnen würde. In den drei Wochen vom siebten September bis zum ersten Oktober würde die Stadt von auswärtigen Kaufleuten, Fernhändlern, Pilgern und kauflustigen Menschen überschwemmt werden. Und wenn noch dazu das Wetter mitspielte, wäre dies die beste Grundlage für gute Geschäfte.
    Doch auch für den Jahrmarkt würde er unter den gegebenen Umständen einen Gehilfen benötigen. Da er sich selbst wohl oder übel hauptsächlich um neue Kunden bemühen musste – oder darum, diejenigen zurückzugewinnen, die ihm Ulrich Thal abspenstig gemacht hatte –, blieb ihm für das alltägliche Geschäft nicht viel Zeit. Konrad würde zwar tun, was in seiner Macht stand, doch eines war Martin inzwischen vollkommen klargeworden: Sein Bruder war nicht der beste Kaufmann. Martin aber brauchte jemanden mit Verkaufstalent.
    Seufzend verstaute Martin sein Rechnungsbuch und die Wachstafeln mit seinen Notizen in einer der Truhen an der Wand. Einen wirklich fähigen Gehilfen würde er so schnell wahrscheinlich nicht finden. Möglicherweise war es an der Zeit, sich nach einem Lehrjungen umzusehen. Bei der nächsten Zusammenkunft würde er sich in der Zunft der Weinhändler erkundigen, ob Lehrlinge zur

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