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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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ganz sicher.
    Allerdings fragte er sich auch, ob es klug gewesen war, in Elisabeths Abwesenheit herzukommen. Er hatte auf einen vergnüglichen Schlagabtausch mit der scharfzüngigen Magd gehofft, nicht jedoch damit gerechnet, dass ihr Anblick ihm derart auf den Magen schlagen würde. Wenn er nicht achtgab, würde er auf dünnes Eis geraten, deshalb konzentrierte er sich auf den Hauptgrund, aus dem er hergekommen war. Er zog den Leinenbeutel, in den er heute die Kette aufbewahrte, aus einer versteckten Innentasche seines Mantels und erschrak unvermittelt, als er die Hitze spürte, die von dem Schmuckstück ausging. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und Luzia trat ein. In ihren Händen hielt sie ein hölzernes, mit Schnitzereien verziertes Kästchen, dessen Deckel hochgeklappt war.
    Neugierig stand er auf, doch da war sie schon an den Tisch herangetreten und hatte die Schatulle abgestellt. Ein seltsames Geräusch hing in der Luft, ein Summen oder Sirren. Der Beutel in seiner Hand schien sich noch mehr zu erwärmen.
    Fragend blickte Martin Luzia an, die offenbar nach Worten suchte. Sehr vorsichtig nahm sie das silberne Kreuz in die Hand und hielt es so, dass Martin es von allen Seiten betrachten konnte.
    Unbehaglich schluckte er. «Jungfer Luzia …» Er zögerte, sprach dann aber aus, was er zu sehen glaubte. «Leuchtet es etwa?»
    Luzia nickte. «Es warnt uns. Zumindest tat es das in der Vergangenheit immer, wenn uns eine Gefahr drohte. Doch dann war das Licht immer mehr bläulich. Jetzt ist es ganz golden. Ich …» Sie blickte auf den Beutel in seiner Hand. «Ihr habt die Kette dabei.»
    Martin zog die Verschnürung des Beutels auf und entnahm ihm die Kette. Fasziniert betrachtete er sie. Die roten und blauen Steine auf den Kettengliedern schienen das goldene Leuchten des Kruzifixes zu reflektieren. Er spürte ein Pulsieren, das sich wie der rasche Herzschlag eines kleinen Tieres anfühlte.
    Luzias Blick hing wie gebannt an der Kette. Sie streckte die Hand aus. «Gebt sie mir.»
    Etwas skeptisch blickte Martin in ihr merkwürdig entrücktes Gesicht, händigte ihr die Kette jedoch aus. Ohne die Augen von der Kette abzuwenden, löste Luzia die einfache Silberkette, an der das Kreuz bisher befestigt gewesen war, warf sie achtlos auf den Tisch und fädelte dann Martins Kette mit fliegenden Fingern durch die Öse. Rasch machte sie die Schließe zu und starrte dann mit glasigem Blick auf die Reliquie in ihren Händen nieder.
    «Luzia?» Besorgt trat Martin nah an sie heran und berührte sie an der Schulter. Als sie nicht reagierte, griff er nach dem Kreuz, um es ihr aus der Hand zu nehmen. Kaum hatte er ihre Finger berührt, blitzte ein grelles Licht in der Stube auf. Erschrocken zuckte er zurück; fast gleichzeitig stieß Luzia einen erstickten Laut aus und schwankte.
    Das Kruzifix in ihrer Hand fühlte sich heiß und kalt zugleich an. Jetzt, da der fehlende Teil wieder mit dem Rahmen verbunden war, schien von der gesamten Reliquie ein Pulsieren auszugehen, das sich bis in Luzias Körper hinein fortsetzte. Doch so schnell diese Empfindung gekommen war, so schnell verflog sie auch wieder. Und im nächsten Augenblick sah Luzia vor ihrem inneren Auge drei Männer, alle in verstaubten Waffenröcken und mit langen Bärten. Die Sonne brannte auf sie herab, scharfer Wind blies ihnen den Wüstensand um die Nasen. Die drei standen dicht beieinander, die Hände zum Schwur aufeinandergelegt.
    «Dieser Kreuzzug hat viele unnötige Opfer gefordert», hörte Luzia wie aus weiter Ferne einen der Männer sprechen. «Ob Ritter, einfache Soldaten oder Knechte – diese Zeiten haben Mauern eingerissen und Grenzen verwischt. Sie haben Männer zusammengeführt und Freundschaften wachsen lassen, die es daheim nie gegeben hätte. Doch genau in diese Heimat kehren wir – wenigstens zwei von uns – mit Gottes Hilfe nun bald wieder zurück. Lasst uns deshalb geloben, dass wir, unsere Familien und unsere Nachkommen einander immer wohlgesinnt und in Freundschaft verbunden sein werden, ganz gleich, wie unser Schicksal spielt oder wo es uns hinführen wird.»
    «Luzia?» Verunsichert berührte Martin sie erneut an der Schulter. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie die Worte jenes Mannes, eines ihrer Vorfahren, laut ausgesprochen hatte.
    Luzia hob den Kopf; es kostete sie einige Anstrengung, den Blick von dem Kruzifix abzuwenden. Als sie es geschafft hatte, durchfuhr sie ein heißer Schauer, und ihr wurde schwarz vor Augen.
    «Du lieber

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