Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
Himmel!» Gerade noch rechtzeitig fing Martin sie auf, bevor sie ohnmächtig zu Boden sinken konnte. Das Kruzifix glitt ihr aus der Hand und landete mit einem metallischen Klang auf dem Boden. Ohne es zu beachten, trug Martin die junge Frau zu einer der Bänke am unteren Ende des langen Tisches und versuchte, sie darauf zu betten. In diesem Moment erwachte sie jedoch schon wieder, sodass er ihr stattdessen half, sich zu setzen. Er ließ sich vorsichtshalber neben ihr nieder. Noch immer war ihr Blick merkwürdig glasig und entrückt. «Geht es Euch gut, Jungfer Luzia? Soll ich Hilfe holen?», fragte er besorgt und stützte sie, da er befürchtete, die Sinne könnten sie erneut verlassen.
    Allmählich kehrte wieder Leben in Luzias Glieder zurück. Nach ihrer kurzen Vision hatte sie das Gefühl gehabt, vollkommen leer und schwerelos zu sein. Mühsam holte sie Luft und bemühte sich, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. «Es ist schon gut», murmelte sie. «Ich bin nur etwas …» Sie schüttelte den Kopf, um auch noch die letzten Reste des Nebels loszuwerden, der ihre Sinne trübte. Und erst jetzt merkte sie, dass Martin Wied sie noch immer an den Schultern gefasst hielt und sie besorgt musterte.
    Erschrocken wich sie zurück, und ihr Herz begann erneut unstet zu pochen. «Es ist gut», sagte sie in brüskem Ton. «Ihr könnt mich loslassen. Ich falle schon nicht um.»
    «Ach? Das sah mir eben aber ganz anders aus», widersprach Martin. «Würdet Ihr mir wohl verraten, was das alles zu bedeuten hat?»
    Sie atmete tief durch und rückte entschlossen von ihm ab. «Das muss ich wohl», antwortete sie. «Ich hatte nur nicht geahnt …»
    «Was?»
    «Ich schätze, ich muss Euch eine Geschichte erzählen.»
    * * *
    «Ihr behauptet also, dass dieses Kruzifix nicht nur merkwürdig leuchtet, sondern Ihr darüber hinaus auch noch seherische Träume davon bekommt?» Erregt ging Martin in der Stube auf und ab, blieb dann direkt vor Luzia stehen und fixierte sie. «Und ich soll das nun einfach so hinnehmen, ja?»
    Luzia, die noch immer auf der Bank saß, war es nicht möglich, vor ihm zurückzuweichen, deshalb verschränkte sie nun doch die Arme und starrte ihn verärgert an. «Ich habe nicht verlangt, dass Ihr es einfach hinnehmt, Herr Wied, sondern Euch lediglich berichtet, was Elisabeth und ich über das Kreuz wissen.»
    «Und Ihr glaubt wirklich, dass es dem Gralsschatz entstammt?»
    «Bruder Georgs Nachforschungen lassen diese Vermutung zu, ja.» Luzia atmete tief durch. «Hört zu, ich verstehe, dass Ihr verwirrt seid …»
    «Verwirrt ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck», fuhr Martin sie an. «Ist Euch klar, wie gefährlich es sein kann, ein … einen solchen Gegenstand zu besitzen?»
    «Natürlich wissen wir das, deshalb haben wir ja bisher darüber geschwiegen», gab Luzia etwas ruhiger zurück. «Und ich hoffe, das werdet auch Ihr tun, Herr Wied.»
    «Bleibt mir denn etwas anderes übrig?», knurrte er. Kopfschüttelnd wandte er sich ab und trat an eines der Fenster, drehte sich dann aber wieder zu ihr um. «Was war das für ein Spruch, den Ihr da vorhin aufgesagt habt?»
    Luzia, die froh war, Martin nicht mehr so dicht vor sich zu haben, erhob sich nun ebenfalls. Im Stehen fühlte sie sich ihm weniger unterlegen. «Kein Spruch», antwortete sie zögernd und versuchte sich an ihre Vision zu erinnern. «Ich sah drei Männer … Das müssen unsere Ahnväter gewesen sein, wie sie einander Treue schworen.» Sie hielt kurz inne. «Bisher habe ich noch niemals Visionen aus der Vergangenheit gehabt, immer nur aus der Zukunft. Ob das etwas zu bedeuten hat?»
    «Ja, vermutlich. Es scheint, dass das ungute Gefühl meiner Mutter Euch gegenüber nicht ganz unbegründet war», schnappte Martin.
    Luzia kräuselte die Lippen. «Ich kann nichts dafür, dass ich diese Träume und Visionen habe, Herr Wied. Das habe ich mir ganz gewiss nicht ausgesucht. Wollt Ihr mir das jetzt etwa zum Vorwurf machen?»
    «Ich werfe Euch gar nichts vor. Aber ein gesundes Maß an Misstrauen wird mir doch wohl gestattet sein.»
    «Fein.» Luzias Miene wurde finster. Jetzt erst bemerkte sie, dass das Kruzifix noch immer auf dem Boden lag – genau dort, wo es ihr aus der Hand geglitten war. Rasch hob sie es auf und drehte es zwischen den Fingern. «Merkwürdig», murmelte sie.
    Alarmiert hob Martin den Kopf und trat neben sie. «Was?», fragte er brüsk. «Noch mehr Visionen?»
    «Nein.» Rasch schüttelte Luzia den Kopf. «Es ist nur … Das

Weitere Kostenlose Bücher