Die Gewürzhändlerin
also nicht noch einmal auf die Wachstafel schauen.
Carissima nannte ihr die Menge, und Luzia wog gewissenhaft ab. Es ging leichter, als sie gedacht hatte, und auch der Preis war schnell errechnet.
Carissima bezahlte, schien aber noch etwas auf dem Herzen zu haben. «Sagt …» Sie zögerte. «Ich hatte ja eigentlich nicht vor zu fragen, und mein Gemahl wird sicher wieder schimpfen. Aber Ihr habt nicht zufällig auch Safran da? Meine Köchin weiß ganz ausgezeichnetes Safrangebäck zu bereiten, wisst Ihr. Dieses Gewürz ist ja so sündhaft teuer, aber ich liebe es einfach.»
Luzia sah erneut zu Alban hinüber. Über Safran hatte er bisher nichts zu ihr gesagt, und die Behälter auf dem Tisch enthielten auch keinen.
Doch Alban nickte zu ihrer Überraschung und bückte sich, um in einem weiteren Kasten unter dem Tisch zu wühlen. Augenblicke später hielt er ihr ein mit einem Messingstift verschlossenes Kästchen hin. «Hier, Jungfer Luzia. Herr Wied wird nicht oft nach Safran gefragt, aber er hat welchen von seiner Reise mitgebracht.»
Luzia öffnete das Kästchen vorsichtig. Sie erblickte mehrere winzige, längliche Behältnisse, in denen die wertvollen Safranfäden lagen und die fast aussahen wie kleine Amulette.
«Ach, das ist ja wunderbar!», rief Carissima und stieß ihre Tochter fröhlich an. «Schau, Kind, zwei von diesen Döschen versorgen uns fast ein ganzes Jahr mit Safran.» Hoffnungsvoll blickte sie Luzia ins Gesicht. «Ihr werdet uns doch einen guten Preis machen, nicht wahr? Immerhin sind wir treue Kunden.»
Luzias Herz begann zu rasen. Was sollte sie tun? Auf der Wachstafel war kein Preis für Safran vermerkt. Und noch dazu hatte sie keine Ahnung, wie weit Martin dieser Kundin entgegenkommen würde. Erneut begann es in ihr zu brodeln. Warum war er nicht längst zurück? Jetzt stand sie hier und musste eine offensichtlich gute Kundin, noch dazu die Gattin eines Ratsherrn, vertrösten und bitten, ein andermal wiederzukommen.
Plötzlich erinnerte sie sich daran, wie sie vor einigen Monaten mit Elisabeth auf dem Trierer Markt Safran eingekauft hatte. Auch der Preis, den sie gezahlt hatten, war ihr noch in Erinnerung sowie Elisabeths Beschwerde, der Händler sei ein Halsabschneider.
Luzia straffte die Schultern. Sie hoffte, die Menge, die ein solches Röhrchen enthielt, entsprach etwa derjenigen, die sie damals gekauft hatten. Nach ihrem Augenmaß musste dies ungefähr hinkommen. Eine Feinwaage mit Gewichten, die in Gran maßen, hatte sie nicht zur Hand, deshalb verdoppelte sie die Menge, errechnete den Preis und zog dann den zehnten Teil wieder davon ab. Die Summe kam ihr sehr hoch vor, dennoch nannte sie sie Carissima, die erwartungsvoll von einem Fuß auf den anderen trat.
Das Gesicht der Kundin hellte sich sichtlich auf, und ein strahlendes Lächeln erschien auf ihren Lippen. «Nun, das ist ein vernünftiger Preis, will ich meinen.» Sie griff erneut nach ihrer Geldkatze. «Unter diesen Umständen werde ich auch noch ein Säckchen Paradieskörner mitnehmen.» Sie deutete auf den Krug, der das genannte Gewürz enthielt.
Eilfertig wog Luzia ihr auch hiervon die gewünschte Menge ab, addierte den Preis zu dem des Safrans und nahm dann das Geld entgegen. Während sie es in die Geldkassette legte, verstaute Carissima ihre Einkäufe zufrieden in dem Korb, den ihre Tochter am Arm trug.
«Ich danke Euch, Jungfer Luzia. Es hat mich sehr gefreut, Euch kennenzulernen, wenn auch die Umstände denkbar ungewöhnlich sind.» Carissima ließ ihren Blick noch einmal bedeutungsvoll über den Gewürzstand schweifen. «Neulich noch habe ich Euch beim Auftragen der Speisen in Frau Elisabeths Stube gesehen, und heute stellt sich heraus, dass Ihr eine talentierte Gewürzhändlerin seid. Weshalb Frau Elisabeth uns das wohl verschwiegen hat?» Sie lachte leise. «Nun, vielleicht dachte sie, dass wir es noch früh genug herausfinden. Was ja nun auch geschehen ist. Bitte grüßt Herrn Wied recht herzlich von uns, Jungfer Luzia. Und was den Safran angeht, so werde ich Euch gerne weiterempfehlen.» Carissima nickte ihr wohlwollend zu. «Gehabt Euch wohl!»
Sie hakte sich bei ihrer Tochter unter, und die beiden Frauen verließen den Stand.
Luzia atmete auf und stützte sich haltsuchend auf dem Tisch ab. Unsicher blickte sie zu Alban, der sie die ganze Zeit still beobachtet hatte. «War der Safran zu billig?»
Alban kratzte sich am Kopf. «Das weiß ich nicht genau. Wie habt Ihr den Preis so schnell und noch dazu ohne
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