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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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mich gebeten, den ganzen Tag in seinem Lager zu helfen, aber am Mittag wollte er dann, dass ich seinen Stand betreue. Er musste zu einem anderen Kaufmann, Ulrich Thal heißt er. Als er von dort zurückkam, war er merkwürdig still.»
    «Hast du ihn gefragt, ob etwas nicht stimmt?» Neugierig hing Elisabeth an Luzias Lippen.
    Ihre Leibmagd schüttelte erschrocken den Kopf. «Nein, natürlich nicht. Das geht mich doch gar nichts an. Er ist dann wieder zu seinem Kontor gegangen und hat Anton, Alban und mich auf dem Florinshof zurückgelassen. Nach dem Marktende mussten wir ihm die Waren und sein Geld ins Kontor bringen, deshalb war ich heute wieder recht spät hier. Ich hoffe, das stört Euch nicht, Herrin.»
    «Stören? Ach woher denn!» Elisabeth winkte lachend ab. «Ich bin froh, dass dir die Arbeit Freude zu bereiten scheint. Du hast ganz rosige Wangen. Obwohl das auch an der kühlen Luft liegen kann, der du den ganzen Tag ausgesetzt warst.» Sie hielt kurz inne. «Mir scheint, deine Abneigung gegen Martin Wied hat ein wenig nachgelassen.»
    Luzia wurde rot. «Ich habe kein Recht, über jemanden zu urteilen. Schon gar nicht, wenn ich ihn gar nicht richtig kenne.»
    «Das ist wahr, Luzia.»
    «Herr Wied ist … sehr geduldig mit mir.»
    «Er weiß um sein abstoßendes Äußeres», sagte Elisabeth leise.
    Luzia riss erschrocken die Augen auf. Dann schluckte sie und biss sich schuldbewusst auf die Lippen. «Ich bin leicht zu durchschauen, nicht wahr? Ich kann nichts dafür, Herrin! Ich bemühe mich wirklich, mir nichts anmerken zu lassen.»
    Elisabeth neigte den Kopf zur Seite und musterte ihre Magd nachdenklich. «Weißt du, es mag gut gemeint sein, sich nichts anmerken zu lassen. Aber hast du einmal überlegt, dass ein Mann in Martins Situation recht einsam sein kann? Stell dir vor, alle Welt versucht, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie von dir abgestoßen ist.»
    «O Gott, Herrin!» Entsetzt starrte Luzia sie an.
    Elisabeth tippte sich nachdenklich an die Lippen. «Ich könnte mir vorstellen, dass er nicht viele wahre Freunde besitzt. Abgesehen von Johann natürlich.»
    «Wahre Freunde?»
    «Die ihn nehmen, wie er ist, und die sich bemühen, den Menschen hinter den Narben zu erkennen.»
    Luzia senkte den Kopf. «Ihr beschämt mich, Herrin.»
    «Das lag nicht in meiner Absicht, Luzia.» Elisabeth lächelte sanft. «Aber denk einmal darüber nach.»
    * * *
    Eine Woche später hatten sich die Koblenzer wie auch die auswärtigen Besucher bereits vollkommen daran gewöhnt, dass an Martin Wieds Verkaufsstand nun eine junge Frau die Gewürze verkaufte. Von Tag zu Tag machte Luzia diese Arbeit mehr Freude. Gleichzeitig schlich sich aber auch immer mehr die Sorge in ihre Gedanken, wie sie damit umgehen sollte, wenn sie nach dem Jahrmarkt ihre Tätigkeit für Martin wieder aufgeben würde.
    Der Kaufmann war zufrieden mit ihr und hatte überdies auch Anton unter seine Fittiche genommen. Sooft er Kunden besuchte, auch außerhalb der Stadt, nahm er den Jungen mit. Anton schien es zufrieden zu sein und sprach bald nicht mehr davon, dass er Martin unheimlich fand.
    Luzia hatte über Elisabeths Worte lange nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass ihre Herrin recht hatte. Martin hatte es gewiss nicht verdient, dass man in ihm nur den von Brandnarben gezeichneten Mann sah, anstatt sich die Mühe zu machen, den Menschen dahinter kennenzulernen. Zwar war sie sich nicht ganz im Klaren, weshalb Elisabeth glaubte, dass gerade sie – Luzia – sich diese Mühe machen müsse, dennoch hatte sie begonnen, Martin heimlich zu beobachten. Es war nicht leicht, seine wahren Gedanken oder Gefühle zu erkennen. Als Kaufmann hatte er sich eine äußerst schwierig zu durchschauende Maske aus Jovialität und Geschäftsmäßigkeit zugelegt, die er auch vor seiner Familie kaum einmal ablegte. Zumindest hatte Luzia es bisher noch nicht erlebt, dass er einmal anders als aalglatt und freundlich war. Lediglich wenn ihn etwas wirklich ärgerte, spürte sie, dass unter der Oberfläche ein mühsam gezügeltes Temperament brodelte. Sie fragte sich, ob sie wirklich wissen wollte, wie es war, wenn er diesem Temperament einmal freien Lauf ließe.
    Noch immer war sie sehr darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen; er schien dies zu akzeptieren und hielt ebenfalls einen entsprechenden Abstand zu ihr. Dieses unausgesprochene Übereinkommen gab Luzia ein Gefühl der Sicherheit. Es fiel ihr etwas leichter, sich mit ihm zu unterhalten und gelegentlich

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