Die Gewürzhändlerin
bisher jeden Tag herrschte dichter Trubel zwischen den Marktständen. Es erstaunte sie immer wieder, wie viele Menschen der Jahrmarkt nach Koblenz zog. Selbst auf den Straßen kampierten sie, obgleich es mittlerweile recht kalt geworden war. In den Nächten herrschte bereits leichter Frost. Zum Schutz gegen die Kälte hatte Luzia nicht nur ihren Wollmantel angezogen, sondern auch die hübsche, aus weicher brauner Wolle gefertigte Gugel. Ihre Hände schob sie meist in die Ärmel ihres Kleides.
Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen. Es war bereits nach Mittag, und allmählich machte sich ihr Magen mit einem aufdringlichen Knurren bemerkbar. Über den Platz wehten zudem verführerische Düfte von gebratenem Fleisch, Pasteten, frischem Brot und in Schmalz gebackenen Krapfen.
Entschlossen fasste sie an die Geldkatze an ihrem Gürtel und fühlte die Münzen darin. «Alban, ich gehe hinüber zum Pastetenbäcker an der Kirche und hole uns etwas zu essen.»
«Aber Jungfer Luzia, Ihr solltet nicht allein über den Markt gehen», protestierte Alban. «Gewiss ist Herr Wied bald zurück, dann kann ich …»
«Mach dich nicht lächerlich, Alban.» Luzia schüttelte tadelnd den Kopf. «Es sind doch nur ein paar Schritte. Und es ist ja nicht so, als wäre ich sie nicht gestern und vorgestern auch schon gegangen. Ich habe Hunger!»
«Aber es ist nicht richtig!»
«Das weiß ich. Aber meinem Magen ist das vollkommen gleich.» Sie holte ihren kleinen Korb unter dem Schragen hervor und wandte sich zum Gehen. «Ich bin gleich wieder zurück.»
«Aber …» Alban fluchte leise hinter ihr her.
Luzia achtete nicht weiter darauf. Sie fühlte sich sicher auf dem Florinshof. Alle paar Schritte konnte sie Büttel sehen, die für Ordnung auf dem Markt sorgten. Der Weg zum Stand des Pastetenbäckers war wirklich nicht weit, die Schlange, an deren Ende sie sich anstellen musste, um diese Tageszeit allerdings recht lang. Geduldig wartete sie, bis sie an der Reihe war, und erstand dann zwei große Gemüsepasteten, die beide in ihrem Korb landeten. Von einer brach sie ein großes Stück ab und biss hinein. Genüsslich kaute sie und schluckte den Bissen hinunter.
Schon wollte sie sich auf den Rückweg machen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Ein Mann drängte sich unweit von ihr durch die Menge. Er war groß und breitschultrig, sein Haar stoppelig und hellblond. Luzias Herz setzte einen Moment lang aus und begann dann zu rasen. Ohne darüber nachzudenken, was sie tat, folgte sie der Gestalt, setzte sogar hin und wieder ihre Ellenbogen ein, um sich Platz zu verschaffen. Niemanden schien es zu kümmern.
Da der Mann hochgewachsen war, hatte sie keine Probleme, ihn im Auge zu behalten. Er ging am Florinstift vorbei in Richtung Holzpforte, hinter der sich der Fischmarkt befand. Auch diesen überquerte er, bis er nahe dem Moselufer, gegenüber der Kornpforte, haltmachte und jemandem etwas zurief. Luzia blieb in einiger Entfernung stehen. Immer wieder drängten sich Menschen zwischen sie und den Hünen, dennoch wich und wankte sie nicht. Dann sah sie einen weiteren Mann hinter einem großen Karren hervorkommen. Er war einen ganzen Kopf kleiner als der Blonde, feingliedrig und dunkelhaarig; und er trug einen sauber gestutzten Kinnbart.
Luzia schluckte hart an dem Kloß, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. «Friedbert und Siegbert», flüsterte sie. Die ungleichen Zwillinge aus Rolands Gauklertruppe. Bevor sie den Gedanken zu Ende denken konnte, ertönte lautes, fröhliches Gekläff. Zwei struppige kleine Hunde schossen auf Luzia zu, tänzelten um sie herum und sprangen wild an ihr hoch.
«Rufus, Bodo, werdet ihr wohl aufhören!», rief Siegbert den Tieren hinterher. «Lasst die edle Jungfer in Ruhe!» Eilig kam der junge Mann näher und klatschte laut in die Hände. Als das nichts half, stieß er einen schrillen Pfiff aus, woraufhin die beiden Hunde sich endlich beruhigten und zu ihm liefen.
Luzia sah ihnen lächelnd nach. Sie kannte die beiden, hatten die Gaukler sie doch bereits in Kempenich dabeigehabt. Die Hunde führten bei den Vorstellungen verschiedene Kunststücke vor: Beispielsweise sprangen sie durch Ringe oder über Hindernisse und konnten sich so bewegen, dass es aussah, als würden sie tanzen.
Nachdem Siegbert die Tiere fortgeschickt hatte, kam er mit gesenktem Kopf auf Luzia zu. «Verzeiht, edle Jungfer. Die beiden Hunde wollten Euch nichts tun. Ich weiß auch nicht, warum sie Euch angesprungen
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