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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Jagd.«

20
    DER MORGEN WAR grauenhaft. Schon die Nacht war grauenhaft gewesen. Ich hatte geträumt, dass jemand ein Tiergehege öffnete und dass eine Hundemeute mir entgegenrannte. Auch ein Wisentbulle stampfte schwer trampelnd auf mich zu. Ein Luchs fauchte mich an, Wölfe fletschten die Zähne, ein Keiler stieß aus dichtem Gehölz hervor. Als ich aufwachte, begriff ich rasch, es war nur ein Traum. Doch dann, wach liegend, verwandelten die Tiere sich in echte Bedrohungen.
    Leidenschaft.
    Emma hatte, Stunden vorher auf der Türschwelle ihres Hauses stehend, umwerfend schön ausgesehen, wie die Personifikation der Verheißung mit ihrem wallenden schwarzen Haar und einem offenen Nachtkleid, das die Brüste nur halb verdeckte und den Bauch und die Scham völlig unbedeckt ließ. Ruchlos war ihr linker Fuß an Arnulfs Bein auf und ab geglitten, während sie ihre Forderungen gestellt hatte. Sie besaß Anziehungskraft, wer wollte das bezweifeln. Ich musste mir vor Augen halten, dass Arnulf ihr, bis zu einem gewissen Grad, in Leidenschaft verfallen war. War es tatsächlich ausgeschlossen, dass die wilde Leidenschaft, sich mit Fruchtbarkeit verbündend, über die Liebe siegte, wie ich am Abend zuvor noch geglaubt hatte?
    Auflösung der Ehe. Unfruchtbarkeit.
    Bei erwiesener Unfruchtbarkeit war eine Auflösung der
Ehe durchaus möglich. Ich hatte drei tote Kinder geboren, die, dem gängigen Zählsystem gemäß, nichts galten. Ein Kind hatte einige Tage lang gelebt. War ich also fruchtbar oder nicht?
    Ich muss sehr blass ausgesehen haben, als Arnulf und ich am Morgen noch vor Sonnenaufgang zusammentrafen.
    Â»Möchtest du dich lieber ausruhen?«,
    ... Und Beute quälender Gedanken bleiben, dachte ich. Nein.
    Â 
    Die Rolle der Damen besteht bei der Jagd darin, die Männer zu bewundern. Das ist alles, was sie zu tun haben, allerdings erwartet man dabei höchste Tüchtigkeit von ihnen: lächeln, bis der Kiefer schmerzt, züchtige, aber beeindruckte Blicke, ein paar Worte der Begeisterung, doch nicht zu viele, denn das wäre nicht schicklich und klänge unehrlich, lächeln nicht vergessen, lächeln... Das Schlimme ist, dass es trotzdem Freude bereitet. Außer im häuslichen Alkoven ist es uns Damen kaum erlaubt, Hochstimmung zu zeigen, und das trägt seltsamerweise dazu bei, dass diese Hochstimmung tatsächlich entsteht. Ich bewundere Arnulf dafür, dass er mir einen Bock zu Füßen legt, und ich lächle ihn an und applaudiere und rufe begeistert bravo, bravo, und all das tue ich, weil es die einzige Gelegenheit ist, ihn öffentlich zu bewundern, und da die anderen Damen ihre Männer ebenso bewundern, wäre es ungerecht, wenn Arnulf als Einziger leer ausginge.
    An diesem Morgen jedoch widerte mich das Spektakel an. Schon der heiße Atem, der aus den Nüstern der Pferde stieß, in Verbindung mit dem klirrenden Zaumgeschirr und dem wilden Trinkritual der Männer vor dem Abritt, ließ mich schaudern. Als hätte ich eine Vorahnung gehabt
von dem, was an diesem Morgen passieren würde. Oder waren es Nachwirkungen der Angst, die ich im Traum erlebt hatte? Ich musste mich zwingen, mich auf die Jagd einzulassen, weil andere Gedanken mich fast vollständig beherrschten. Meine Ehe war bedroht, und gestern hatte ich einer Fremden das Intimste gestanden, nämlich eine unglückliche Frau zu sein, die sich an ihrem Unglück selbst die Schuld gab. Die Erinnerung an die Stunden in Fionees Häuschen war unwirklich, verschwommen, als hätte mir jemand von einem Traum erzählt, von dem ich das unbestimmte Gefühl hatte, ihn zu kennen. Trotzdem war mir das Geschehen vom Tag zuvor ganz nah. Was war mit Fionee passiert, als sie auf dem Boden gezappelt hatte wie ein Fisch auf dem Trockenen? Und was war mit mir passiert, die ich mein Innerstes nach außen gekehrt hatte, sodass ich es erstmals selbst hatte betrachten können? Erschreckt und fasziniert zugleich, versuchte ich zu verstehen.
    Â 
    Alle Damen des Hofes nahmen an dieser Jagd teil, auch Karls Konkubinen und die Ehefrauen mittlerer Beamter - und zu meinem Verdruss auch Emma, obwohl sie streng genommen nicht zu den Damen des Hofes gehörte. Von Berta erfuhr ich, dass sie nicht von Arnulf, sondern von Gersvind eingeladen worden war. Das war mir ein kleiner Trost.
    Â 
    Auf halbem Weg in die Wälder lenkte Arnulf sein Pferd neben meines, sodass wir Seite an

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